Kultur

Herrlich komisches Plädoyer für Leben, Liebe, Freundschaft

Einen Film, noch dazu einen höchst erfolgreichen, auf die Theaterbühne zu hieven, ist oft zum Scheitern verurteilt. Doch das Unterfangen kann auch glücken, wenn, ja wenn man großartige Schauspieler zur Verfügung hat. Und die Kammerspiele haben solche, weshalb die Bühnenadaption von "Ziemlich beste Freunde" eine große Freude ist.

Aber der Reihe nach. Am Anfang stand das Buch "Der zweite Atem" von Philippe Pozzo di Borgo. Dieser war ein erfolgreicher Unternehmer, stammt aus einer reichen, adeligen Familie und war in jeder Beziehung eine Art Überflieger. Bis Philippe Pozzo di Borgo 1993 beim Paragleiten abstürzte – seitdem ist er vom Hals ab gelähmt. Ein Tetraplegiker, so heißt das im Fachjargon.(Runterscrollen um weiterzulesen)

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Buch, Film, Stück

In "Der zweite Atem" beschrieb Pozzo di Borgo sein "neues Leben" (Krebstod der Ehefrau inklusive) und seine Begegnung mit dem algerisch-stämmigen Abdel Yasmin Sellou, der erst sein Pfleger, dann sein Freund wurde. Die Regisseure Olivier Nakache und Eric Toledano haben diese wahre Geschichte unter dem Titel "Intouchables" mit François Cluzet sowie Omar Sy verfilmt und einen Hit gelandet. Gunnar Dreßler hat daraus ein Theaterstück gemacht, "Ziemlich beste Freunde".

Und so prallen sie inzwischen auf der Bühne aufeinander, der gelähmte Feingeist Philippe und der lässige, rotzfreche Kleinganove Driss (so heißt Philippes Pfleger in der Theaterversion).

Im Rollstuhl

In den Kammerspielen werden die beiden von Michael Dangl und Nikolaus Okonkwo im wahrsten Sinne des Wortes verkörpert. Als Philippe sitzt Dangl in einem Rollstuhl, der mit dem Mund steuerbar ist, der alle Stückeln spielt, der den Schauspieler aber zur völligen Bewegungslosigkeit verdammt.

Wie Dangl "nur" mit Worten (was für sprachliche Nuancen!) und beredter Mimik diesem Philippe Leben einhaucht, ist einfach fantastisch. Dangl gelingt es, jeden Anflug von Rührseligkeit zu vermeiden. Sein Philippe ist berührend und unfassbar komisch. Die verbalen Gefechte der "ziemlich besten Freunde" ziehen in den Bann, denn in Nikolaus Okonkwo findet Dangl einen Partner auf Augenhöhe. Wie dieser Driss vom auf super-cool getrimmten Getto-Boy zum mitfühlenden und sogar kulturverständigen Menschen mutiert, ist toll.

Zwischen den Männern steht Silvia Meisterle, die sich als Philippes Mitarbeiterin Magalie gegen Driss’ lustige Avancen erwehren muss. Meisterle ist neben Dangl und Okonkwo das dritte Kraftzentrum dieser Aufführung.

Die übrigen Figuren (Oliver Huether, Alexandra Krismer, Ljubiša Lupo Grujčić, Katrin Eberl, Elisabeth Kofler) bleiben da völlig auf der Strecke, sind bestenfalls brave Stichwortgeber.

Denn Regisseur Michael Gampe setzt in seiner klugen, sehr souveränen Inszenierung vor allem auf die sozialen Gegensätze, zeigt in Erich Uiberlackers kühlem Rund-Bühnenbild zwei Menschen, die letztlich Grenzen überwinden. Das ist die schöne Botschaft eines humorvollen, auch zum Nachdenken anregenden Abends, an dem das geflügelte Wort "Halt die Ohren steif!" eine völlig neue Bedeutung bekommt.

KURIER-Wertung: