Kultur

Kapitalisten des Gemetzels

Sein Film sei die deutsche Antwort auf Martin Scorseses "Wolf of Wall Street", jubelte das deutsche Feuilleton, als Johannes Nabers "Zeit der Kannibalen" auf der Berlinale lief. Das war zweifellos als großes Kompliment gemeint.

Doch der Regisseur zeigt sich über diesen Vergleich wenig glücklich. Zumal es in seinem bösartig-satirischen Kammerspiel der Kapitalisten nicht um Investmentbanker geht, sondern um Unternehmensberater. Und das sei "ein großer Unterschied", sagt der deutsche Regisseur im KURIER-Interview.

Wohl wahr. Trotzdem zählt die vortreffliche Satire "Zeit der Kannibalen" (jetzt im Kino) zu jenen Film-Lehrstücken, die sich spätestens seit Oliver Stones "Wall Street" – oder auch wie zuletzt Marc Bauders deutscher Doku "Masters of the Universe" – mit dem Innenleben der Macht befassen.

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Abgehobene Manager-Eliten in der Optimierungsgesellschaft: Man kennt sie auch in der freundlichen Form von George Clooney, der in der Tragikomödie "Up in the Air" von Firma zu Firma jettete und dort "überflüssige" Angestellte feuerte.

In "Zeit der Kannibalen" kündigen die Herren Öllers und Niederländer – gemeinsam mit ihrer neuen Kollegin Bianca März – die Leute nicht eigenhändig. Nein, sie beraten Firmen. Zwischen Indien und Nigeria erklären sie Kunden in Entwicklungsländern, wie sie Profit maximieren können. Zu diesem Zweck müssen sie nicht einmal ihre Luxus-Hotels verlassen, denn Meetings gibt es in der Suite, Besprechungen in Konferenzschaltung. Deswegen spielt "Zeit der Kannibalen" auch ausschließlich in geschlossenen Räumen.

In den Arbeitspausen macht sich das Trio infernale Sorgen um die Karriere. Die Männer brüllen die Ehefrau am Handy an, terrorisieren das Hotelpersonal. Und haben Sex mit den Zimmermädchen. Was sich vor den Hotels abspielt, ist ihnen als echten Berufszynikern egal. Auch wenn Schüsse fallen.

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"Ich glaube, wenn man so einen Beruf macht, ist man darauf angewiesen, sich die Realität ein bisschen vom Leib zu halten", analysiert der in Berlin lebende Johannes Naber diesen Typus Alpha-Tier: "Man operiert in harten Zahlen, die man aus Analysen kennt, und macht sich die Welt berechenbar. Darum haben solche Menschen gar nicht den Drang, sich mit der Realität zu konfrontieren."

Dieses Nicht-Verhältnis schlägt sich auch formal in Nabers furios zugespitztem Sprechtheater nieder: Die Hochhäuser vor den Fenstern sind unschwer als Pappkulissen erkennbar – verwechselbare Außenfassaden in Zeiten rasanter Globalisierung.

Leistungsoptimierer

Spielwütig werfen sich Devid Striesow, Sebastian Blomberg und Katharina Schüttler in die Rollen ihrer zwangsneurotischen Leistungsoptimierer. Zerfleischen sich und ihr Umfeld. Geben ihr Letztes für die "Company". Die scharfzüngigen Wortgemetzel stammen von Drehbuch-Autor Stefan Weigl: "Er arbeitete lange in der Werbung und hatte viel mit Finanzdienstleistern zu tun", so der Regisseur: "Er kennt den Umgang und die Sprache dieser Menschen sehr gut."

Naber selbst, der 2010 mit seinem Spielfilmdebüt "Der Albaner" reüssierte, lässt in seinem zweiten Spiefilm auf jede Szene eine Schwarzblende folgen – "um in dem Turbo-Gequatsche Inseln der Ruhe zu schaffen."

Einmal beobachtet Bianco, wie Kollege Öllers mit dem Zimmermädchen aus der Toilette kommt. Wutentbrannt beschuldigt sie ihn, Abhängigkeitsverhältnisse auszubeuten. Und wird prompt als moralische Zicke abgefertigt: "Ich mag diese Szene sehr", sagt Johannes Naber: "Sie zeigt die Macht der Worte. Eine klare moralische Haltung wird mit zwei Zügen komplett auf den Kopf gestellt. Und plötzlich steht man als Spießerin da. Man muss echt aufpassen, dass einem das nicht passiert – denn diese Leute können das."