Kultur

"Wolverine": Superheld als Struwwelpeter

Wolverine will nicht mehr Wolverine sein. Die Ereignisse von „X-Men: Der letzte Widerstand“, waren einfach zu deprimierend. Und an diesen dritten (und schwächelnden) Teil der Comic-Trilogie von 2006 knüpft sein Schicksal im neuen Film nun an.

Bekümmert hat sich Logan – so Wolverines bürgerlicher Name – in die kanadische Wildnis zurückgezogen. Dort lebt er nicht als Superheld-Mutant mit magischen Fähigkeiten, sondern als einsamer Trapper. Er hört klassische Musik aus dem Kofferradio und hat Albträume – von der Atombombe und von Jean, seiner Geliebten, die er eigenhändig hatte töten müssen.

Atombombe

Gerade, als Haupt- und Barthaar so lang geworden sind, dass man Hugh Jackman darunter kaum noch erkennen kann, taucht eine fixe Japanerin namens Yukio auf. Wie der unsterbliche Logan, der Selbstheilungskräfte besitzt, so ist auch Yukio Mutantin und mit außergewöhnlichen Fähigkeiten ausgestattet. Sie bekniet Logan, mit ihr nach Tokio zu fliegen, wo ein mächtiger Japaner namens Yashida im Sterben liegt. Vor Jahrzehnten hatte ihm Logan während der Explosion der Atombombe das Leben gerettet – nun will sich Yashida von seinem Wohltäter verabschieden.

„Wolverine“ – Ableger des immens erfolgreichen „X-Men“-Franchise und zweite Einzelverfilmung des Titelhelden, ist mehr düsterer Samurai-Noir-Thriller als multikulturelles Mutanten-Spektakel. Überhaupt bemerkt man von der gesamten Mutantenproblematik reichlich wenig. Dafür reüssieren Jackman und sein Brustkorb bereits zum insgesamt sechsten Mal als Wolverine mit den Scherenhänden.

Der Superheld und sein unsterblicher Körper – diese Thematik verleiht „Wolverine“ fast philosophische Schwermut. Dass Logan trotz Unsterblichkeit an Flugangst leidet und nur mit viel Whiskey seine Magennerven im rumpelnden Flugzeug beruhigen kann, gehört mit zu den zart ironischen Erzähluntertönen, die Regisseur James Mangold („Walk the Line“) immer wieder anschlägt. So muss der verwilderte Logan in Tokio erst einmal kräftig mit dem Besen geschrubbt werden, ehe er sich vom Struwwelpeter wieder in jenen Mann verwandelt, für dessen Anblick das Publikum teures Geld bezahlte.

Immer wieder streut Mangold kleine Scherze ins recht melancholische Japan-Melodram. Und trotz Digitaltechnik bemüht er sich um einen schönen, klassisch-altmodischen Look, in dem er von Großvätern erzählt, die nicht sterben können. Und von Vätern, die ihre eigenen Töchter töten wollen.

Fetzig

Zum Glück unterbrechen fetzige Sequenzen das mitunter tröge dahin plätschernde (Liebes-)Geplapper. Besonders eine atemlose Verfolgungsjagd auf Japans Hochgeschwindigkeitszügen zählt zu den Filetstücken der Action-Handlung. Ebenfalls bravourös erscheint jene, von Altmeister Kurosawa inspirierte Szene, in der schwarz gekleidete Samurai Pfeile in Wolverines Rücken schießen: Wie ein Märtyrer in Erlöser-Pose sinkt dieser voller Pathos auf die Knie nieder.

Derartige visuelle Höhepunkte versöhnen mit kitschigeren Einfällen. So hätte man auf jene hartnäckig wiederkehrenden Szenen verzichten können, in denen sich die tote Geliebte Jean im weißen Negligé durch Logans Träume wälzt.

Am Ende jedenfalls will Wolverine endlich wieder Wolverine sein. Und das ist gut so. Denn der Nachspann gibt eine exquisite Vorschau auf den nächsten „X-Men“-Film: In „Days of Future Past“ (2014) führt auch wieder Bryan Singer Regie – jener Mann, der die „X-Men“-Serie auf so hohes Niveau brachte.

Doch James Mangolds „Wolverine“ hat den Weg dorthin würdig gewiesen.

KURIER-Wertung: **** von *****

INFO: Wolverine – Weg des Kriegers. USA 2013. 126 Min. Von James Mangold. Mit Hugh Jackman.

Robert Redford galt immer schon als die links-liberale Stimme Hollywoods: Mit dem Watergate- Film „Die Unbestechlichen“ (1976) machte er allen vor, was guter Journalismus sein konnte. In seinem neuen Film "The Company You Keep" wendet er sich noch einmal brisanter US-Polit-Geschichte der 70er zu: Es geht um Ex-Mitglieder der linken, radikalen Untergrundbewegung "The Weathermen", die als kämpferische Vietnam-Gegner Anschläge verübten, später ihre Identität wechselten und untertauchten.

Redford selbst, aber auch Hollywood-Granden wie Susan Sarandon, Julie Christie oder Nick Nolte spielen die Ex-Terroristen: 30 Jahre nach ihrer aktiven Zeit leben sie als brave Bürger in der US-Vorstadt. Doch das FBI lässt nicht locker, und ein verstreberter Journalist – „Transformer“-Bengel Shia LaBeouf – wittert die Karriere seines Lebens. Nostalgischer und melancholischer Thriller der alten Schule.

KURIER-Wertung: **** von *****

INFO: Thriller. "The Company You Keep – Die Akte Grant". USA 2012. 121 Min. Von und mit Robert Redford. Mit Shia LaBeouf.

Michael Ostrowski als Held der Arbeit in den steirischen Stahlwerken – für eine österreichische Komödie eine eher ungewöhnliche Rolle. Eigentlich pflegen ja die Briten wie Regie-Altmeister Ken Loach die Tradition des Arbeiterfilms. Doch Andreas Schmied siedelt sein Filmdebüt im steirischen Fabriksmilieu an und lässt dort die Belegschaft in Streik treten. Mit Hilde Dalik als resoluter Blondine und Gewerkschaftsanwältin wirft er noch eine Brise Screwball-Comedy in den Mix. Und lässt Dalik gegen Ostrowski in den geschlechterüblichen Schlagabtausch treten.

Gerade im Detail schlägt Schmieds klassenbewußte Romantic Comedy immer wieder witzige Funken. Ostrowskis bewährt lakonischer Schmäh produziert dialektsichere Komik – egal, ob in ernsthafter Stammtischdebatte oder im Abseitsstreit mit dem Fußballschiedsrichter. Als Patrick Angerer bestreitet er ein bescheiden-beschauliches Provinzleben, obwohl ihm das Herz immer noch wegen der Ex-Freundin (Dalik) schmerzt. Diese ist ihm ins feindliche Wien abhanden gekommen, wo auch noch andere Gegner sitzen. Manuel Rubey, zum Beispiel, der in seiner Rolle als gelackter Investorenvertreter mit geschmeidiger Wiener Zunge der Provinz entgegen hält. Nicht immer erfolgreich, allerdings – und auch dieser Konflikt produziert lustige Momente.

Insgesamt aber bleibt Schmieds schematische Komödie in ihrer absehbaren Gut-Gegen-Böse-Mechanik stecken. Trotz beflügelter Dialoge kommt es nie zu jenem beschleunigten Gag-Feuerwerk, das gelungene Screwballs mit sich bringen. Und auch das Herzerwärmende geht mit dem Publikum allzu gefällig auf Kuschelkurs.

Hier geht's zum KURIER-Interview mit Michael Ostrowski und Hilde Dalik.

KURIER-Wertung: *** von *****

Duschen, anziehen, Pot rauchen – das Wochenende an der Peripherie von Nottingham hat begonnen. Doch nach dem Besuch bei seinen Hetero-Freunden geht Russell (Tom Cullen) noch in einen Club und reißt sich Glen (Chris New) auf. Der Beginn einer schwulen Liebesgeschichte, die allerdings unter Zeit- und Normdruck steht: Chris steht kurz vor seiner Abreise nach Amerika. In intensiven Gesprächen loten die beiden ihre schwulen Lebensentwürfe aus, die bei Russell lauten: Bloß nicht die Hetero-Umgebung abschrecken. Chris hingegen scheut nicht die Provokation. Andrew Haighs teilweise dokumentarisch anmutende Liebesstudie erzählt freizügig und sensibel über einen (vom Außendruck auch beschädigten) Schwulenalltag.

KURIER-Wertung: **** von *****

INFO: Drama. Weekend. GB 20011. 96 Min. Von Andrew Haigh. Mit Tom Cullen, Chris New, Jonathan Race, Laura Freeman.

"Das alles ist niemals passiert! - Niemals!", sagt Casey zu seinem Freund Miller, während die beiden nackt über den Campus der Elite-Uni Stanford marschieren.
Nein, dabei handelt es sich nicht um die Fortsetzung von Teeniepartyfilm "Project X" oder den Anfang des vierten „Hangover"-Teils. Ganz abwegig ist diese Vermutung allerdings nicht, so liefern immerhin die Hangover-Drehbuchautoren mit „21 and over“ ihr Regie-Debüt. Der Der Stoff ist altbekannt: Der leicht dümmlich wirkende Miller überredet seine neuerdings partymüden Highschool-Freunde Casey und Jeff Chang zu einer wilden Feier an Jeff Changs Geburtstag. Allerdings hat dieser am nächsten Morgen ein wichtiges Bewerbungsgespräch. Die Party gerät außer Kontrolle und Casey und Miller haben ihre liebe Not, den betrunkenen Freund rechtzeitig zu Hause abzuliefern.

Der tollpatschige, jugendliche Charme der Hauptdarsteller ist es, was die Komödie sehenswert macht, obwohl die Handlung ja wirklich keine Überraschung mehr darstellt. Einige der derben Jokes (Sprühspeiben oder Pinkeln in die Menger) verleiten sogar zu leisem Gelächter. Auch, wenn man dabei um sich blickt und hofft, dass es niemand gesehen hat – man will ja keinen tiefen Humor nachgesagt bekommen.

KURIER-Wertung: *** von *****

Elisabeth Hofer

Federico Fellinis „La Dolce Vita“ stand Pate für Paolo Sorrentinos angestrengt bildgewaltige Rom-Farce, die im Wettbewerb von Cannes lief: Ein elegant gealterter Dandy und Schriftsteller mäandert durch das skurril-schrille Nachtleben von Rom, in dem sich eine dekadente Oberschicht zu Tode amüsiert. Sorrentinos nihilistische Erzählhaltung unterhöhlt allerdings jegliche kulturkritische Position und wirkt zunehmend ermüdend.

KURIER-Wertung: **** von *****