Kultur

Wo die Coolness ihre Grenzen hat

Wenn heute Abend der Internationale Schriftstellerverband PEN im Rahmen seiner jährlichen Gala das Satire-Magazin Charlie Hebdo mit einem Preis für publizistischen Mut auszeichnet, werden mehrere Schriftsteller aus Protest nicht dabei sein. Unter ihnen einer der Shootings-Stars der US-Literaturszene: Rachel Kushner.

Ihr ist mit ihrem zweiten Roman "Flammenwerfer" (Rowohlt) gelungen, was noch niemand vor ihr geschafft hat: zwei Mal hintereinander für den renommierten National Book Award nominiert zu werden. "Flammenwerfer", von N. Y. Times bis Zeit begeistert aufgenommen, beschreibt in draufgängerischem Tonfall eine ebensolche Protagonistin, eine junge Künstlerin aus Reno, die auf ihrem Motorrad durch die Wüste Nevadas und eine auf den ersten Blick recht unplausible Roman-Konstellation rast: von der US-Kunstwelt der 1970er über den Ersten Weltkrieg bis zu den Roten Brigaden.

Das Bindeglied heißt Sandro Valera, ist erfolgreicher Konzeptkünstler und exzentrischer Erbe einer italienischen Motorrad-Dynastie, in den sich die Erzählerin verliebt. Bei einem Familienbesuch am Comer See gerät sie in den Strudel einer Revolte, samt Straßenkämpfen, Entführung und Mord. Immer wieder Thema ist auch der bis heute ungeklärte Tod des italienischen Verlegers Giangiacomo Feltrinelli, der 1972 bei einem Anschlag auf einen Hochspannungsmast ums Leben kam.

Macho

Deutsche wie US-Medien schwärmten von der "Coolness" dieses "Macho-Romans für Feministen" (Welt). So unerschrocken Kushner ihre Protagonistin durch die (Kunst-)Landschaft rasen lässt: Im echten Leben ist sie vorsichtiger. Kushner ist, neben 34 weiteren Schriftstellern (u.a. Joyce Carol Oates), der Ansicht, die Satire-Zeitschrift Charlie Hebdo generiere kulturelle Intoleranz. Die US-PEN-Gala wird daher ohne Kushner stattfinden.

Der deutsche Zweig des Schriftstellerverbandes widmet sich indes diese Woche dem Thema der eingeschränkten Meinungsfreiheit in Vietnam und dem Massenmord an den Armeniern vor 100 Jahren. "Unsere Hauptaufgabe ist es, dass wir verfolgten Kollegen helfen", sagte PEN-Präsident Josef Haslinger der dpa. Der österreichische Schriftsteller, der sich ebenfalls kritisch zum Preis für Charlie geäußert hatte, stellt sich diese Woche nach zwei Jahren als Präsident seiner ersten Wiederwahl.