Kultur/Wiener Festwochen

Die schlimmen Geheimnisse hinter dem Folklore-Gehopse

Budapest, in den frühen 80ern. Folklore-Musik, schales Neon-Licht und ein Linoleum-Boden. Ostblock-Charme. In einem Tanzhaus herrscht ausgelassene Stimmung. Auch Liedgutforscher István (Zoltán Friedenthal) und seine Frau Kata (Hella Roszik) tanzen und singen.

Doch hinter der folkloristischen Scheinidylle versteckt sich die Angst vor dem Regime. Was niemand weiß: Unter den Tanzenden befinden sich Geheimagenten. Auch István und sein Freund Imre (Béla Pintér), der eine Untergrund-Zeitung herausgibt, wissen nicht, dass sie ausspioniert werden. Imre weiß auch nichts vom schrecklichen Geheimnis seines Freundes: István ist pädophil, die Geheimpolizei findet das heraus und versucht, ihn zu erpressen und dazu zu bringen, Imre ans Messer zu liefern.

Es ist eine komplizierte Geschichte um Lügen und Geheimnisse, persönliche wie politische, die der ungarische Theatermacher Béla Pintér in seinem Stück "Titkaink/Unsere Geheimnisse" erzählt.

Themen statt Geld

Der unabhängige Theatermacher beschäftigt sich seit 1998 als Regisseur mit politischen Themen, die konservative ungarische Kulturpolitik kommentiert er in einem Interview mit den Festwochen so: "Das Regime der Vergangenheit gab uns Geld für die Kultur, das heutige gibt uns Themen." Unter diesem Aspekt lässt sich auch dieser Theaterabend zusammenfassen: Aufwendiges Bühnenspektakel mit großer Kulissenschieberei findet hier nicht statt. Alles spielt sich vor dem statischen Bild eines überdimensionalen Aufnahmegeräts ab. Davor werden Kommunismus und Pädophilie debattiert. Erschreckend und berührend. Die Schauspieler, die gerade nicht auftreten, musizieren live am Bühnenrand.

Vom Band kommt am Ende nur der 70er-Hadern "Yes Sir, I can boogie". Mag sein, dass das als Symbol zu interpretieren ist: Der Westen ist nicht aufzuhalten. Die Kinder stehen auf Michael Jackson und die, die noch ans Regime glauben, sind "rotlichtbestrahlte Kommunisten".

Schon bis hierher ist dieser großartig gespielte Abend gut, die persönliche Tragödie Istváns schockiert. Die makabere Pointe zum Schluss: Wir befinden uns im Jetzt. Jene, die zur Zeit des Eisernen Vorhangs andere bespitzelt und ans Messer geliefert haben, sind auch jetzt noch an der Macht und versuchen, Künstler mit Ehrungen gefügig zu machen.

KURIER-Wertung:

INFO: Noch am 20. und 21. Mai.