Kultur

Wien, das Kunstmessen-Dorf der Unbeugsamen

Gallien hat kapituliert: Zwar ging am Wochenende die redimensionierte Kunstmesse "Art Paris" noch im Grand Palais über die Bühne - die für Oktober geplante FIAC wurde aber, wie von einigen Branchenvertretern schon länger vermutet, in der Nacht zum Dienstag abgesagt. Die Veranstalter der Messe, die neben der bereits vor einiger Zeit annullierten "Frieze" in London zu den Highlights des europäischen Kunstmarkt-Herbsts zählt, gaben an, sie seien "nicht in der Lage, einen Event zu organisieren, der die legitimen Erwartungen der Aussteller erfüllt". 

Anderswo hört ein von unbeugsamen Menschen bevölkertes Kunstmessedorf nicht auf, den Einschränkungen der Corona-Pandemie Widerstand zu leisten. Doch das Dorf liegt nicht an der Nordwestspitze Galliens, sondern in Ostösterreich: Auch nach der Umschaltung der Corona-Ampel auf Orange wollen die Messe "Viennacontemporary" und ihre Satelliten-Veranstaltung "Parallel Vienna" in der kommenden Woche dichtes Programm für Kunstinteressierte - und nicht zuletzt für Sammlerpublikum - bieten.

Kunst im Zeitfenster

Beide Veranstaltungen operieren mit einem so genannten Timeslot-System. Das bedeutet, dass Tickets nur für bestimmte Zeiträume gültig sind und sich nur eine bestimmte Anzahl von Gästen innerhalb dieser Zeitfenster auf der Messe aufhalten dürfen. Für die Viennacontemporary, die in der eher hohen und weitläufigen Marx-Halle stattfindet, gelte derzeit ein Limit für 2500 Personen pro Zeitfenster, wie ihr Sprecher Hans Krestel auf KURIER-Nachfrage erklärt. Bei Bedarf könne man dieses Limit noch herunterschrauben, man rechne abseits des Eröffnungstages (24.9.) aber nicht mit einem derart erhöhten Andrang. Sowohl Tickets, die vorab gekauft werden (13 €), als auch solche, die vor Ort erstanden werden (19 €) werden gegen die Angabe von Kontaktdaten ausgegeben, so dass ein "Contact Tracing" möglich sei, versichert Krestel.

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Zwischennutzung

Die "Parallel Vienna", die bereits am 22. 9. eröffnet und bis 27.9. läuft, pflegt traditionell ein stärkeres Underground-Image. Das Event hat es sich zum Markenzeichen gemacht, ständig andere, zur Zwischennutzung freigegebene Orte temporär zu bespielen. Diesmal ist das ehemalige Wirtschaftskammer-Bürohaus am Rudolf-Sallinger-Platz-1 (nähe Stadtpark) der Austragungsort. Die Zahl der Besucher, die sich dort zeitgleich aufhalten dürfen, ist laut Präventionskonzept auf 500 limitiert - diese Zahl setzt sich aus 300 Besucherinnen und Besuchern, 150 Ausstellern und 50 Mitarbeitern zusammen. Ordner sollen vor Ort helfen, in den teils kleinen Räumen, in denen Kunstinstallationen zu sehen sind, Staus zu vermeiden. Die Opening-und Closing-Partys - sie waren für ein großes, vorrangiges junges Klientel in den Vorjahren mitunter ein zugkräftigerer Grund zum Besuch der "Parallel" als die Kunst selbst - fallen heuer aus. Allein eine "Rooftop Bar" soll den Gästen zu Messezeiten zur Verfügung stehen.

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Was bleibt, ist die Frage, ob die Wiener Events in der Lage sein werden, auch die "die legitimen Erwartungen der Aussteller" zu erfüllen. Im Vorfeld der "Viennacontemporary" gab es hinter den Kulissen intensive Diskussionen über die Reduktion der Standmieten - die Rabatte schienen so manchen Ausstellerinnen zu gering. Die künstlerische Messeleiterin Johanna Chromik verwies bei Anfragen auf "konstruktive Gespräche im Geist gemeinsamer Bemühungen um Wien und Österreich als zukunftsweisendem Standort für zeitgenössische Kunst", konnte aber lange nicht genau sagen, wer schlussendlich an Bord sein würde.

"Persönlicher und lokaler"

Nun haben 65 Galerien zugesagt, 35 davon aus Österreich, insgesamt erwarte man Teilnehmer aus 16 Ländern, sagt Sprecher Krestel, der nicht ohne Stolz berichtet, dass sogar eine Galerie aus Südkorea zur Messe anreisen werde. Es werde auch eine Online-Version des Events geben.

Beworben wird die Messe als "persönlicher" und "lokaler" als bisher, Last-Minute-Absagen sind aufgrund der Pandemie-Situation allerdings auch unmittelbar vor dem Aufbau noch nicht auszuschließen. Und welches internationale Publikum zur Messe kommt, ist trotz einiger Anmeldungen bis zum tatsächlichen Event unklar. Ernst Hilger, mit seiner Wiener Galerie seit bald 50 Jahren im Geschäft und ein häufiger Aussteller in den verschiedensten Versionen der Wiener Messe, erwartet sich im KURIER-Gespräch wenig finanziellen Erfolg. "Ich bin aber der Meinung, man muss Lebenszeichen geben", sagt er.

In Paris versucht dies übrigens auch der Galerist Thaddaeus Ropac mit einer eigenen Gruppen-Schau junger Künstler. Ob das nächste große Messe-Event in der gallischen Hauptstadt, die für November anberaumte "Paris Photo", stattfinden wird, ist noch unklar - derzeit gehen die Veranstalter davon aus.