Kultur

Wettlesen mit Staraufgebot

Die vergangenen Jahre waren turbulent. Zuerst wollte man ihn abschaffen – weder die Kasse noch die Quote stimmte. Die 350.000 Euro, die der Bachmannpreis insgesamt kostet, liefen Gefahr, dem ORF-Sparprogramm zum Opfer zu fallen. Zudem stagnierte die Quote. Zwar wurde immer wieder versucht, den Bewerb unterhaltsamer zu machen, aber Literatur, um die es ja eigentlich geht, ist eben per se wenig TV-tauglich. 2014 gab es dann Zores in der Jury. Auch, weil Jurorin Daniela Strigl, die im Gespräch als Vorsitzende war, sich weigerte, aus dem Bewerb eine "Casting-Show" zu machen. Und zuletzt gewann mit Tex Rubinowitz ein Wettbewerbs-Fan, zugleich aber auch ein Überraschungskandidat.

Heuer ist alles anders. Der Bachmann-Preis 2015 wird ein Wettlesen der Superlative. So weiblich, so österreichisch und so prominent besetzt waren die Tage der deutschsprachigen Literatur lange nicht mehr. Zehn der 14 Teilnehmer sind Frauen, fünf Autoren des 39. Wettlesens, das heute Abend in Klagenfurt eröffnet wird, kommen aus Österreich. Und mit Valerie Fritsch und Teresa Präauer sind wirkliche Stars der heimischen Literaturszene vertreten. Auch die Klagenfurterin Anna Baar sowie die für die Schweiz bzw. Deutschland lesenden Teilnehmerinnen Saskia Hennig von Lange, Ronja von Rönne und Monique Schwitter sind keine Unbekannten.

Promi-Dichte

Nun kommt es immer wieder vor, dass sich prominente Autoren dem Urteil der Klagenfurter Jury stellen – voriges Jahr etwa Olga Flor, 2012 Julya Rabinowich und 2006 Bodo Hell. Dennoch ist die Promi-Dichte 2015 ungewöhnlich.

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Auf Einladung des neuen Jury-Vorsitzenden Hubert Winkels liest die gebürtige Linzerin Teresa Präauer, die als eines der vielversprechendsten Talente der deutschsprachigen Literatur gehandelt wird. Mit "Johnny und Jean" gab Präauer, die selbst u. a. Kunst studiert und als Illustratorin gearbeitet hat, einen Einblick in die Kunstszene und wurde dafür für den Preis der Leipziger Buchmesse nominiert. Warum sie nun die Herausforderung des Klagenfurter Wettlesens annimmt?"Was ich tatsächlich schätze an diesem Spiel, ist die Dichte der Performanz, da werde ich wach."

Bedenken angesichts einer gewissen Fallhöhe hat sie nicht: "Meine Arbeit gibt es mit und ohne die Tage der deutschsprachigen Literatur, ich kann nur gewinnen: Einen guten Auftritt mit einem guten Text nämlich", sagt sie, und man nimmt ihr dieses Selbstbewusstsein ab: Das Videoporträt, mit dem sie sich auf der Bachmann-Preis-Homepage vorstellt, zeigt sie zu Elektro-Beats mit Affenmaske vor einem gemalten Urwald tanzend. Botschaft: Es ist alles nur ein Spiel.

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Opulent geht es im Videoporträt zu, das Regisseur Matthias Franz Xaver Zuder für Valerie Fritsch (im Bild) angefertigt hat: Oktopusse im Swimmingpool, nackte, geigende Frauen und eine Hauptdarstellerin, deren knallrosa Haar am Ende in Flammen aufgeht. "Ein Fest in meinem Kopf" kommentiert Fritsch das Video, und wer ihren Roman "Winters Garten" gelesen hat, stellt fest: Das passt gut. Großartig, bunt, furchtlos und an der Grenze zum Kitsch. Seit Wochen beherrscht die 25- jährige Grazerin mit "Winters Garten" die Bestseller-Listen und beeindruckt Publikum wie Kritik mit ihrer Sprachgewalt. Nach Klagenfurt fährt sie "mit einem durchaus gespannten Gefühl heiterer Gelassenheit. Warum sollte man sich vor allem fürchten, dazu bin ich zu neugierig." Außerdem, ganz pragmatisch: "Der Bachmann-Preis widerfährt einem ja nicht wie ein Unglück, dem man nicht auskommt: Autoren werden in den seltensten Fällen gewalttätig gezwungen, fünf Tage am Wörthersee zu verbringen."

INFO: Die 3sat-Berichterstattung vom Bachmann-Preis startet am 1. Juli in der „Kulturzeit“ (19.20).
Am 2., 3., und 4. Juli beginnen ab 10 Uhr jeweils die Live-Übertragungen aus Klagenfurt. Es moderieren Christian Ankowitsch und Zita Bereuter.
Am 5. Juli wählt die sechsköpfige Jury unter Vorsitz von Hubert Winkels unter 14 Autorinnen und Autoren den Preisträger. Die Live-Übertragung startet um 11 Uhr.

Die Bilanz des Bachmann-Jahres 2014 fiel durchwachsen aus. Der Rückzug der Literaturkritikerin Daniela Strigl aus der Jury war das Gesprächsthema auf der Frankfurter Buchmesse: Autoren wie Clemens J. Setz oder Elfriede Jelinek protestierten, doch es blieb dabei: Strigl ging, nachdem sie vom ORF zunächst ein- und dann wieder ausgeladen wurde, den Jury-Vorsitz zu übernehmen. Den hat nun Hubert Winkels, Literaturkritiker bei der Zeit, inne. Überraschungen gab es auch auf der Kandidaten-Ebene. Mit Tex Rubinowitz hatte der Literaturpreis voriges Jahr einen prominenten Preisträger.

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Tatsächlich Furore gemacht hat seither aber Gertraud Klemm(im Bild), die in Klagenfurt den Publikumspreis gewann. Zwar wurde ihr Text vom damaligen Jury-Vorsitzenden Burkhard Spinnen gehörig zerpflückt: „Frauenzeitschrift-Befreiungsprosa“ nannte er Klemms Auszug aus dem Roman „Aberland“. Doch genau das schien dem Publikum zu gefallen. Das Porträt zweier Frauen-Generationen wurde für Klemm, geboren 1971 in Wien, zum Riesenerfolg – „Aberland“ beherrschte monatelang die Bestsellerlisten. Es sei „bitterböse, voll trockenem Humor“, lobten viele Kollegen und Kritiker. Tatsächlich hat Klemms Auseinandersetzung mit „weiblichen Themen“ aber auch viel Polemik ausgelöst: Darüber, inwieweit der Roman das selbst reklamierte feministische Gebot einlöse.

Ab Donnerstag, 2. Juli, sendet 3sat wieder ganztags die Lesungen und Diskussionen im Rahmen der "39. Tage der deutschsprachigen Literatur" in Klagenfurt. "Natürlich wirkt es auf dem ersten Blick anachronistisch, Lesungen zu übertragen, Menschen also beim Lesen und Vorlesen zuzusehen", räumt der 3sat-Koordinator des ORF, Reinhard Scolik, ein. "Aber solch ein Ruhepol einmal im Jahr im Fernsehen mit der Konzentration auf Literatur und Sprache tut, meine ich, allen gut."

Seit Jahren schon ist der Kultur- und Wissenssender von ZDF, ARD, SFR und ORF der TV-Begleiter des Wettlesens in der Kärntner Landeshauptstadt. "Der Bachmann-Preis ist zum Einen einer der bedeutendsten Literatur-Preise des deutschsprachigen Raums. Er ist aber auch von seiner Konzeption her sehr fernsehgerecht", meint Scolik. Denn "alles passiert live ohne Netz und vor Ort: die Lesung, die Bewertung durch die Jury und auch letztlich die Kür des Siegers. Dazu kommt, dass jeder Juror auch Paten-Funktion hat und jede Kritik am Teilnehmer eine Kritik am Juror ist. Es gibt also ein gruppendynamisches Reservoir für spannende Auseinandersetzungen. All das macht diesen Preis auch als Fernsehereignis spannend."

Die 3sat-Berichterstattung vom Bachmann-Preis startet am 1. Juli in der "Kulturzeit" (19.20).

Am 2., 3., und 4. Juli beginnen ab 10 Uhr jeweils die Live-Übertragungen aus Klagenfurt. Es moderieren Christian Ankowitsch und Zita Bereuter.

Am 5. Juli wählt die sechsköpfige Jury unter Vorsitz von Hubert Winkels unter 14 Autorinnen und Autoren den Preisträger. Die Live-Übertragung startet um 11 Uhr.