Kultur

Werner Boote, der Weltverbesserer

Nach dem Erfolg von „Plastic Planet“ (Sonntag, 23.05 Uhr, ORF 2) bereist Dokumentarist Werner Boote unseren Planeten und hinterfragt für seinen neuen Film „Population Boom“ (ab Freitag im Kino) ein festgefahrenes Weltbild: Die angebliche Überbevölkerung.

KURIER: Herr Boote, wie haben Sie heute Ihre Zähne geputzt?

Werner Boote: Mit einer biologisch abbaubaren Zahnbürste.

Ihr Film „Plastik Planet“ hat also tatsächlich Ihr Leben nachhaltig verändert.

Logisch, klar. Ich habe aber noch immer ein paar Sünden. Filme machen ohne Plastik geht leider nicht.

Jetzt interessiert Sie Überbevölkerung. Warum?

Nach „Plastic Planet“ haben mir viele Leute gesagt: Wir produzieren viel Plastikmüll weil es so viele Menschen gibt. Ich fragte mich: Wie kann man diesen Wahnsinn stoppen? Im Zuge der Recherchen bin ich draufgekommen, dass ich in eine falsche Richtung gedacht habe. Dass ich nachgeplappert habe, was viele glauben: die Angst vor der Überbevölkerung.

Wie beweisen Sie, dass das nicht stimmt?

Ich suchte zuerst nach Beweisen für die Überbevölkerung. Es begann mit dem Hunger in der Welt. Wir sind ja alle von der Idee der Apokalypse geprägt. Zirka 800.000 Millionen Menschen leiden unter Hunger. Folgerung: Es gibt zu wenig Ressourcen.

Tatsächlich sind aber die Ressourcen schlecht verteilt.

Genau. Wir produzieren jetzt schon zu viele Nahrungsmittel. Tatsächlich wird die Weltbevölkerung ab 2040 sinken. Das wissen alle Demografen. Die Geburtenrate geht in den Industrieländern drastisch zurück, die anderen werden folgen. Was mich am meisten berührt: Der ökologische Fußabdruck steigt dort am schnellsten, wo die Menschen am wenigsten Kinder bekommen, in der westlichen Welt. Das ist eine Frage nach der Art, wie wir leben.

Was steckt hinter der Behauptung Überbevölkerung?

Das geht von Rassismus bis wirtschaftlichen Interessen. Man lässt die, die verhungern, links liegen, weil es dort keine Kaufkraft gibt. Die Politik will nichts als Wirtschaftswachstum, Menschlichkeit ist kein Thema.

Was wollen Sie mit Ihrem Film erreichen?

Am Anfang stand die Neugier. Vier Jahre später steht mein Wunsch, Bewusstsein zu schaffen dafür, dass wir Teil einer globalen Gemeinschaft sind. Dass wir nicht mehr sagen, die da drüben sind zu viel. Dass wir begreifen: Wenn es anderen auf der Welt schlecht geht, dann fällt das auf uns zurück.

Ein komplexes Thema ...

Ich behaupte: Menschen sind an einer besseren Welt interessiert. Jeder kann auf seine Art etwas dafür tun.

Sind Sie ein Weltverbesserer?

Ich kann kein Weltverbesserer sein. Ich kann nur Anstöße geben, wo ich glaube, dass es besser ginge. Es gibt ja keine Traumwelt. Noch dazu bin ich ein großer Pessimist, was die Gegenwart betrifft. Wenn ich an Syrien denke und die Umweltkatastrophe, die dort bevorsteht.

Warum dann überhaupt noch Weltverbesserungsvorschläge machen?

Mittelfristig bin ich Optimist. Ich halte es mit Rousseau, der gesagt hat: Der Mensch ist im Prinzip gut.

Ihr nächster Film hat wieder eine Botschaft?

Ja, das ist kein Geheimnis. Wir haben ihn schon eingereicht, bevor Edward Snowden sich geoutet hat. Es wird um Überwachung und Anonymität gehen.

Der ORF hat einen Sparkurs insbesondere bei Filmen und Dokumentationen angekündigt, sollte es die Gebührenrefundierung nicht weiter geben. Ihr Kommentar?

Ich finde es ekelhaft , wie man die Filmwirtschaft instrumentalisiert und ihr gleichzeitig den Boden unter den Füßen wegzieht. Da reden wir auch von Menschen, die in Cannes und bei den Oscars zu den Angesehendsten zählen. Es geht hier auch um sehr viele Arbeitsplätze.

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