Kultur

Eierspeise à la Grillparzer

Gehen Sie nicht mit leerem Magen in diese Vorstellung: Ab 20 Uhr zieht ein köstlicher Duft durch die Zuschauerreihen des Landestheaters. Gebratene Zwiebeln, Paprika und Paradeiser, darüber zwei Eier und etwas Salz, direkt aus der Hosentasche des Hauptdarstellers: Küchenjunge Leon ( Jan Walter) will seinen Gastgeber Kattwald ( Florentin Groll, der auch als Gregor agiert) mit Kochkünsten beeindrucken: Ein Elektrokocher und eine Pfanne genügen, das Gemüse brutzelt, der Dialog geht weiter. Verzehrt wird gierig am Bühnenrand, wer in der ersten Reihe sitzt, riskiert, Gemüseeierspeise in den Schoß serviert zu bekommen.

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Es ist einiges los in Alexander Charims Grillparzer-Interpretation. Es werden Schuhe geworfen, Haare gezogen, Holzbretter geschwungen – knapp an den Nasen des Publikums in der ersten Loge rechts vorbei. Charim hat viele Ideen. Manches wirkt unkonzentriert, einiges schön, wie das hysterische Vogelgezwitscher zwischen den Akten (– wozu? soll man freilich nicht fragen).

Wenig wahrhaftig

Grillparzers Geschichte vom Küchenjungen, der sich aufmacht, um den vom Tyrannen Kattwald gefangenen Neffen des Bischofs Gregor von Chalons zu befreien, ohne ein einziges Mal zu lügen, ist per se nicht rasend überzeugend. Was besticht, ist die dem Text zugrunde liegende Frage nach Wahrheit – die doch nicht immer Wahrhaftigkeit ist: Grillparzer lässt das Kattwalds Tochter Edrita (Swintha Gersthofer) durchschauen: „Hast du die Wahrheit immer auch gesprochen, hier fühl ich dennoch, dass du mich getäuscht.“

Grillparzers Tagebücher und heutige Philosophen (kein Programmheft scheint derzeit ohne Robert Pfaller auszukommen) führen durch das Stück. Peter Sloterdijks „Bekenntnisse eines Verlierers“ über den Irrtum, man müsse unter allen Umständen die Wahrheit sagen, sind dabei. Für Lacher sorgen die Sager aus Rainald Goetz’ „Krieg“-Monolog: „Dreck, Dreck“ ruft Galomir (Tobias Vogt) Edrita hinterher, als diese ihn austrickst und gefesselt im Wald liegen lässt. Schöner Gag: Er wird von einem Bühnenarbeiter abtransportiert.

Das Gros der Umbauten übernehmen die Schauspieler. So müssen sie Biedermeiermöbel ab- und aufbauen. Grillparzer wird paraphrasiert, eingekürzt und aufgemotzt. Man kann das für die einzige Möglichkeit halten, mit diesem Klassiker umzugehen. Man kann es auch effekthascherisch finden. Langweilig wird es jedenfalls nicht, und das ist auch schon viel.

KURIER-Wertung:

Das Stück fiel bei der Premiere 1838 durch. Auch heute besticht weniger die eher maue Story als der wunderbare Text an sich – samt der philosophischen Grundfragen, die er stellt.

Die Regie hat zu viele Einfälle.

Das Spiel ist durchwachsen: Solide bis schrill. Leon ist mit Jan Walter typengerecht besetzt, Florentin Groll ist ein souveräner Gregor.