Was wollen Kurz und Strache eigentlich vom ORF?
Diese Regierung meint es ernst mit dem ORF. Und mit dem Rest des Medienmarktes. Wie sehr das Thema im Fokus ist, zeigte schon das Regierungsprogramm, das im Vergleich zu früheren Arbeitsübereinkommen zweier Parteien am Ruder der Macht detaillierte Absichtsbekundungen enthielt. Auch zum öffentlich-rechtlichen Rundfunk.
Neu aufstellen
Die Regierung Kurz will zumindest vorderhand nicht den Weg der rechtspopulistischen europäischen Politiker übernehmen – statt einer Filetierung des mächtigen ORF und einer Unterjochung der freien Presse soll der Medienstandort Österreich umfassend neu aufgestellt werden. Und zwar nachhaltig. Was das bedeuten soll? Das wird man noch im ersten Halbjahr klären, wenn eine große Enquete zu dem Thema über die Bühne geht. Das Ziel: einen Diskurs zu starten. Die Digitalisierung zu fördern. (Und vielleicht zu entflechten, was entflechtet gehört.) Soweit die vagen Absichtsbekundungen der ÖVP, die mit Gernot Blümel einen äußerst telegenen Medienminister stellt, der bisher vor allem eines klar machte: Es soll diskutiert werden. Und zwar auf der Enquete.
Die FPÖ hat klare und radikale Pläne
Viel konkreter wurde da die FPÖ. Deren Mediensprecher Hans-Jörg Jenewein erklärte Anfang Februar im Ö1-Medienmagazin "doublecheck", die FPÖ könne mit den ORF-Gebühren leben. Nur billiger müssten sie werden. Sparen wollte Jenewein aber nicht beim Programmentgelt, sondern etwa bei den GIS-Anteilen der Länder. Aus dem Mund eines FPÖ-Politikers waren das unerwartete Töne, schließlich hatte sich die Partei in den vergangenen Jahren für die komplette Abschaffung der sogenannten "Zwangsgebühren" stark gemacht. Ein Schwenk? Es dauerte keine vier Tage, da wurde wieder das Gegenteil getrommelt. Verkehrsminister Norbert Hofer war unzufrieden mit einem "ZiB"-Beitrag, in dem er nicht vorgekommen war und postulierte via Facebook: Er sei gegen ORF-Gebühren. Die Partei stellte sich hinter ihn. Auch Parteichef Heinz-Christian Strache pochte laut auf die Abschaffung.
Sackgasse Gebührenabschaffung?
Strategisch ist diese Haltung in einer Koalition mit einem gemäßigt auftretenden Regierungspartner vordergründig eine Sackgasse. Wenn die Gebühren ersatzlos gestrichen würden, wäre der ORF ein Schatten seiner selbst. Will man die Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks aber anderweitig absichern, würde erst recht wieder die Allgemeinheit mitzahlen.
Den ORF ins Budget stecken heißt: Die Steuerzahler zahlen
Die Variante, den ORF ins Budget zu nehmen, hätte nur kurzfristigen Charme, weil die Bürger dann zumindest gefühlt entlastet würden. Nur: Mehr als 600 Millionen jährlich finanzieren sich auch im Staatshaushalt nicht von selbst. Wo soll man dafür sparen? Im Schulsystem? Bei den Sozialleistungen? Oder gar eine ORF-Steuer einheben? Der Plan, den ORF aus dem Staatshaushalt zu finanzieren, wäre aus Sicht des Rundfunks heikel, weil eine Langfristplanung unmöglich wäre. Derzeit wird alle fünf Jahre über die Höhe der Gebühren verhandelt – ein Bundesbudget wird höchstens für zwei Jahre fixiert. Allein die geforderte Produktion teurer österreichischer Filme und Serien würde stocken, wenn unklar ist, was in zwei Jahren ist. Außerdem: Was wäre, wenn der Sparstift konjunkturbedingt quer durch die Verwaltung geht? Der ORF würde sicher als einer der ersten Posten drankommen. Unverblümt drückte es der oberösterreichische FPÖ-Chef Manfred Haimbuchner aus: "Diese Journalistenmentalität, bei der man aufgrund der GIS-Gebühr auf gut gepolsterten Stühlen sitzt, wird man ändern."
Privatisierungsfantasien für ORFeins und Ö3
Die Hoffnungen, dass die Blauen wieder auf eine moderatere Linie einschwenken, sind gering. Generalsekretär Harald Vilimsky, ein Hardliner in Medienfragen, hat in einem Interview dieser Woche zwar nicht mehr von einer Abschaffung der GIS gesprochen, sondern nur die Landesabgaben ins Visier genommen. Parteichef Strache legte am Mittwoch in einem Fernsehinterview jedoch nach und unterstrich, die GIS müsse gestrichen und der ORF ins Budget geholt werden. Und zwar deutlich verschlankt. Den öffentlich-rechtlichen Auftrag würden seiner Meinung nach ohnehin nur ORF2, ORFIII und Ö1 erfüllen. Vilimsky will ORFeins und Ö3 privatisieren, wiewohl das im Regierungsprogramm explizit anders festgeschrieben wurde.
Infobox: Die Gebührenfrage - fast eine Milliarde
Im Jahr 2017 verrechnete die GIS nach eigenen Angaben 906,2 Millionen Euro an Rundfunkgebühren und damit verbundene Abgaben und Entgelte weiter. 609,9 Millionen Euro wurden an den ORF als Programmentgelte weitergeleitet. Der Bund erhielt 55,9 Millionen Euro an Rundfunkgebühren, 62,5 Millionen Euro an Steuern sowie einen zweckgebundenen Kunstförderungsbeitrag in Höhe von 18,5 Millionen Euro. An die Länder gingen 144,5 Millionen Euro.