Kultur

Walter Bannert und sein Film "Die Erben": „Hass und Todesdrohungen“

Am 18. März 1984 berichtete die Los Angeles Times aufgeregt von einer Filmvorführung in Berlin, die unter Polizeischutz stattfinden musste. Wie der West-Berlin-Korrespondent berichtete, handelte es sich um die Aufführung des umstrittenen österreichischen Films „Die Erben“ von Walter Bannert. Sowohl in Österreich als auch in West-Deutschland hatten wütende Neonazis die Filmvorführungen gestört; in Mannheim wurde sogar ein Kino niedergebrannt.

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„Die Kinobetreiber haben Angst davor, meinen Film zu zeigen“, wird der damals 40-jährige Bannert in der Los Angeles Times zitiert: „Alle Vorführungen in Deutschland wurden – abgesehen von Berlin – abgesagt.“

Tatsächlich erregte der Regisseur, der heuer im September 77-jährig verstarb, mit seinem zweiten Spielfilm – der sogar auf dem Filmfestival von Cannes in der Nebenschiene Quinzaine des Realisateurs lief – internationales Aufsehen. „Die Erben“ erzählt, wie ein Wiener Schüler namens Thomas – gespielt von Nikolas Vogel, dem früh verstorbenen Sohn des Schauspieler-Ehepaars Gertraud Jesserer und Peter Vogel – in eine rechtsradikale Organisation gerät.

Thomas ist der Sohn typischer Wirtschaftswundereltern: Zu Hause geht es nur ums Geld, bereits zum Frühstück wird herumgebrüllt. Vor allem die Mutter erweist sich als wahre Schreckschraube. Thomas freundet sich mit einem Kleinkriminellen namens Charly (Roger Schauer) an und besucht mit ihm die Versammlungen einer Neonazi-Organisation. Während die „alten Herren“ dort darum bemüht sind, sich als „seriöse“ Partei darzustellen, gibt es auch eine Gruppe radikaler Schläger. Sie verprügeln politische Gegner und machen Waffenübungen: Einem der Rekruten wird ein Davidstern auf den Rücken gemalt, dann wird er „exekutiert“. Thomas lernt seine Lektion und tötet am Ende ebenfalls eine „unliebsame“ Person.

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Nicht alle Kinobesucher waren bei der Vorstellung von „Die Erben“ so schockiert, wie man es vielleicht erwarten würde: Sowohl die Filmemacherin Ruth Beckermann wie auch Gabriele Flossmann, damals Leiterin des ORF-Filmressorts, können sich an Vorführungen mit geschmacklosen Lachern im Kino erinnern, etwa, wenn einer der Alt-Nazis einen Lampenschirm vorführt, der aus menschlicher Haut hergestellt wurde.

Medienattacken

Trotzdem: „Der Film war überspitzt und reißerisch, aber er hat den Zeitgeist getroffen“, sagt Beckermann: „Damals fanden wir es unerträglich, dass es am Ende keine ‚Bekehrung‘ gibt und den Nazis nichts Positives entgegengehalten wird. Heute finde ich das gut.“

Als „Die Erben“ ein Jahr später im ORF gezeigt wurde, schlugen die Wellen der Empörung erneut hoch: In wütenden Leserbriefen beschwerten sich Zuseher über explizite Sexszenen, sprachen von Pornografie und Gewaltverherrlichung. Ein Leser mit Professoren- und Doktortiteln schwadroniert von der „Verleumdung des österreichischen Volkes“ durch „Übertreibungen von neonazistischen Tätigkeiten“, „garniert durch Pornoszenen“.

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„Für Walter Bannert waren die Reaktionen auf seinen Film traumatisch“, ist Paul Poet, Regisseur und Kurator, überzeugt: „Er hat sich weit hinaus gelehnt und in der Neonaziszene recherchiert, um die Entwicklung eines Rechtsrucks zu zeigen. Damit stieß er auf großen Hass, erhielt Todesdrohungen und war Medienattacken ausgesetzt.“ Danach habe sich Bannert mit „harmloseren“ Themen befassen wollen und Teenie-Romanzen wie „Herzklopfen“ gedreht, meint Paul Poet: „Die erhoffte Karriere im englischsprachigen Raum misslang, als einzige Fluchtmöglichkeit blieb ihm der (deutsche) Fernsehmarkt.“

„Die Erben“ wollte Walter Bannert – vor allem nach dem Tod von Nikolas Vogel – nicht mehr zeigen. Erst 2015 wurde er im Rahmen der Viennale in der von Paul Poet kuratierten Filmschau „Austrian Pulp“ wieder aufgeführt. Zudem plant das deutsche DVD-Label „Bildstörung“ eine Veröffentlichung auf DVD und Blu-ray sowie eine Wiederaufführung des Films im Kino Ende 2021 – wenn alles klappt.

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