Wallners: Dreampop zum Reinkuscheln
Von Marco Weise
Denkt man an musizierende Großfamilien, fällt einem als Teenager der 90er-Jahre, als Millennial – ob man will oder nicht – die Kelly Family ein. Und damit hat man ganz schnell ganz schlimme Bilder im Kopf. Und Melodien des Grauens im Ohr. Das gilt es zu verhindern, deshalb ist man auch geneigt, eine eMail, in der von einer singenden Familie die Rede ist, voreilig zu löschen.
Im Falle der Wallners kann aber Entwarnung gegeben werden. Hinter dem Namen stecken Nino, Max, Laurenz und Anna, vier Geschwister Anfang bis Mitte Zwanzig, die soeben ihre Debüt-EP "Prolog I" mit fünf Songs vorgelegt haben. Einen Song kennt man bereits aus dem Alternative-Radio: Es ist "In My Mind", ein Song, der nie wirklich anfängt, keinen Höhepunkt hat und nicht wirklich auffällt. Das ist jetzt nicht negativ gemeint, sondern darf als Kompliment aufgefasst werden. Denn der Song will nichts von einem, schreit nicht nach Aufmerksamkeit: Alles klingt reduziert, harmonisch, kuschelig und in eine weiche Decke gehüllt.
In eine ähnliche Kerbe schlagen die weiteren Lieder auf „Prolog I“, die der Familienbetrieb allesamt in Eigenregie zuhause aufgenommen und produziert hat. Auf einen bestimmten Sound habe man im Homeoffice aber nicht hingearbeitet, wie Anna Wallner dem KURIER sagt.
„Wir haben es einfach Song für Song so gemacht, wie es uns am besten gefallen hat. Aber rückblickend betrachtet, kann man sagen, dass wir einen gewissen verträumten und surrealen Touch eingebracht haben. Vielleicht gerade deshalb, weil uns die Welt der Träume, das Geheimnisvolle und Rätselhafte immer schon fasziniert hat“, sagt die 25-Jährige.
Gänsehaut
Diese Faszination für das Rätselhafte ist es auch, auf das sich die vier Geschwister einigen können. Obwohl es innerhalb der Familie durchaus unterschiedliche Musikgeschmäcker gibt, sei man sich im Studio eigentlich immer schnell einig geworden. Aber wie schwierig ist es, sich gegen drei Brüder zu behaupten? „Eigentlich gar nicht so schwierig", sagt Anna und lacht. "Ich schlage mich ganz gut.“ Das liegt wohl am Ass, das sie im Ärmel hat: Ihre facettenreiche Stimme.
Diese steht in den Songs stets im Mittelpunkt - so auch im traurig-schönen „All Again“. Begleitet wird sie dabei von einer Trost spendenden Gitarre und einer Klaviermelodie, die einerseits Sehnsucht versprüht, andererseits den Abschied längst realisiert hat. Das ist eine Ballade mit Weltformat. Ein Song, den auch ein Superstar wie Lana Del Rey nicht besser hingebracht hätte: rührend, herzzerreißend, leidend, harmonisch und eingängig, aber nie zu poppig.
Das gilt auch für die weiteren Songs auf der EP, die voller Gänsehaut-Momente steckt. Diese wolle man natürlich auch bald mal live präsentieren. Aber da aktuell coronabedingt Konzerte ohnehin noch kein Thema sind, nehmen sie erstmal weitere Songs auf. Der Rest ergibt sich bei den tollen Voraussetzungen, die die Wallners mitbringen, ohnehin von selbst.