Volkstheater Wien in "prekärer finanzieller Lage"
Von Georg Leyrer
Das Wiener Volkstheater befindet sich laut einer Prüfung des Stadtrechnungshofes in einer "prekären finanziellen Lage". Es wären "tiefergehende Maßnahmen erforderlich, um die Finanzlage nachhaltig zu sanieren", hieß es in dem am Dienstag veröffentlichten Bericht.
Dass die Finanzsituation des Volkstheaters nicht die beste ist, das war bekannt. Wenn die Politik nach erfolgter Sanierung nicht bereit ist, die jährlichen Gehaltssteigerungen durch Subvention auszugleichen, dann stellt sich laut Stadt-RH überhaupt die Frage, „ob eine weitere Subventionierung .... langfristig sinnvoll ist, da es dann in kurzer Zeit wieder zu einer finanziell nicht zu bewältigenden Situation kommen würde."
Prämien ohne Leistung
Es wurden laut Stadt-RH Zielvorgaben gemacht, deren Nichteinhaltung folgenlos blieb. Es wurden Prämien bezahlt, ohne dass „entsprechende besondere Leistungserbringung“ vorlag. Es war unklar, ob für empfangene – ohnehin schon „unübersichtliche“ – Zulagen die entsprechende Arbeit geleistet wurde. Und es wurden sogar Verkehrsstrafen bezahlt, die eigentlich im privaten Bereich der Mitarbeiter liegen.
„Mitunter bestätigt der Bericht Maßnahmen, die seit Amtsantritt von Veronica Kaup-Hasler aktiv zur Stabilisierung des Volkstheaters getroffen wurden. Die Umsetzung der zum Teil kritischen Anregungen des Stadtrechnungshofs werden zusätzlich einen wertvollen Beitrag zur Neuausrichtung des Hauses leisten“, hieß es dazu aus dem Büro der Kulturstadträtin.
Geprüft wurden die Geschäftsjahre 2015/’16 bis 2017/’18, also die bisherige Zeit unter Anna Badora und Geschäftsführer Cay Stefan Urbanek.
Badora geht nach Ablauf dieser Saison, auf sie folgt Kay Voges.
In welchem Zustand er das Haus übernimmt, ist nun dokumentiert. Die Eigenmittelquote lag im Prüfungszeitraum nur knapp über acht Prozent. Die Besucherzahlen sind unter Badora stark gesunken, im Haupthaus um sieben Prozent, in den traditionell wichtigen Bezirken sogar noch stärker. Die Auslastung lag bei 56 Prozent.
Und dabei wurde, ergibt sich aus der Prüfung, sogar weniger Karten aufgelegt als früher – die Auslastung wäre sonst noch niedriger.
Sanierungsvorbild: Josefstadt
Der Rechnungshof mahnte nun ein Konzept ein, wie das Theater finanziell auf sichere Beine gestellt werden kann. Als Sanierungsvorbild wurde nun das Theater in der Josefstadt genannt.
Die Volkstheater-Führung will viele der Forderungen zeitnah umsetzen, versprach Transparenz und Kassenprüfungen und verwies, implizit, auf die unbewegliche Vertragssituation im gewerkschaftsnahen Theater.
Was darf die Kunst kosten?
In den Empfehlungen an das Volkstheater empfiehlt der Stadtrechnungshof auch, die "Aufwendungen für Musik und Honorare für sonstige künstlerische Leistungen sind an die wirtschaftliche Situation der "Volkstheater" Gesellschaft m.b.H. anzupassen", das heißt: Die Honorare zu senken. Ebenso soll durch die Auswahl der gespielten Stücke die Tantiemen - sprich die Leistungen an u.a. die Autoren - gesenkt werden. Dem widerspricht das Theater in seiner Stellungnahme: "Eine grundsätzliche Einschränkung würde die künstlerische Gestaltungsfreiheit einschränken", hieß es.
Zu der Empfehlung, die Überstunden zu reduzieren, hielt das Theater fest: "Das Aufkommen der Überstunden wurde über alle Gewerke in den letzten Jahren um rd. 25% reduziert, ohne dass Mehrpersonal eingestellt wurde. Bei weiteren Reduktionen ist der Trade-off zwischen der Vermeidung von Überstunden und der Erhöhung der Anzahl von Mitarbeitenden und den damit verbunde-nen Folgekosten zu prüfen." Es solle aber, so der Rechnungshof, geprüft werden, ob das Personal "jene Aufgaben, für die eine entsprechende Zulage verrechnet wird, auch tatsächlich noch erbringt".
Und auch von der "Auszahlung von Prämien ohne entsprechende besondere Leistungserbringung ist Abstand zu nehmen".
Für die Opposition war der kritische Bericht natürlich eine Steilvorlage, es hagelte Kritik von ÖVP und Neos.
Kleine Theater brauchen mehr Geld
Die Probleme in der Wiener Theaterlandschaft beschränken sich nicht auf das Volkstheater. Unter dem Titel „Pakt Wien“ haben sich 15 öffentlich geförderte, gemeinnützige Tanz- und Theaterbetriebe zusammengeschlossen, um ihren „gemeinschaftlichen Interessen“ in Politik und Öffentlichkeit mehr Nachdruck zu verleihen. Am Montag wurde ein 10-Punkte-Katalog mit Forderungen an die Kulturpolitik präsentiert.
Zu den auch unter www.paktwien.at abrufbaren Forderungen zählen u.a. eine „einmalige Anhebung der Fördermittel als Ausgleich der nicht stattgefundenen Valorisierung der letzten Jahre“, eine „automatische Valorisierung aller Fördervereinbarungen der Mitgliederbühnen“ oder das „Bekenntnis der öffentlichen Hand zur Instandhaltung der Substanz“ der Häuser „jenseits der Betriebsförderungen“. Weiters erhofft man sich künftig mehr Planungssicherheit durch mehr Vorlaufzeit (mindestens zwei Jahre) bei Vertragsverlängerungen für Leitungspositionen.
Der Geschäftsführer reagiert
„Im künstlerischen Betrieb wird stets auf die schwierige wirtschaftliche Lage des Hauses Rücksicht genommen.“ Das betont der kaufmännische Geschäftsführer des Volkstheater Wien, Cay Stefan Urbanek, gegenüber der APA in einer kurzen schriftlichen Stellungnahme zum heutigen Stadtrechnungshof-Bericht.
„Der Betrieb des Volkstheaters wird gerade einem umfassenden Umbruch unterzogen: Die Sanierung des Gebäudes und die Bestellung von Kay Voges als künstlerischen Direktor ab September 2020 führen zu grundlegenden Veränderungen im Betrieb und den künstlerischen Schwerpunktsetzungen“, so Urbanek weiter. „Trotz der herausfordernden Situation und der Unsicherheiten rund um die notwendige Sanierung des Gebäudes wurde mit außerordentlichem Einsatz ein vielfältiger, seitens der Presse immer wieder gelobter Spielplan umgesetzt.“
Der Stadtrechnungshof hat in einem umfangreichen Bericht dringend ein finanzielles Sanierungskonzept eingefordert. Die Geschäftsführung stehe „erst am Anfang, um ein neues, umfassendes Betriebskonzept zu erstellen. Da organisatorische Änderungen (wie im Rechnungshof empfohlen) und neue künstlerische Abläufe ineinandergreifen und nur gemeinsam zu dem erwünschten Erfolg führen, müssen diese mit allen beteiligten Partner/innen gut abgestimmt werden“, schließt Urbanek.