Urheberrecht: EU-Parlament stellt die Weichen im Internet neu
Von Georg Leyrer
Das EU-Parlament hat sich am Dienstag für eine Reform des Urheberrechts entschieden. Die Abstimmung ging mit 74 Stimmen für den Vorschlag aus. Diese Entscheidung hat weitreichende Folgen.
Die Regelung sollte die von Künstlern und Medien produzierten Inhalte besser davor schützen, auf großen US-Plattformen als Einnahmen-Beschaffer zu dienen. Künftig müssen große Plattformen wie YouTube und Facebook dafür sorgen, dass sie für hochgeladene urheberrechtlich geschützte Werke - Musik, Film, Bilder, Nachrichten - auch Lizenzen haben, um diese Werke rechtmäßig anbieten zu können.
Bisher waren sie auf Grund der sogenannten "Safe Harbour"-Klausel von dieser Frage befreit. Dass die Plattformen nun in Europa auch für die Inhalte verantwortlich sind, wird dazu führen, dass weite Teil des Internets - Social-Media-Plattformen und Foren, beispielsweise - künftig deutlich anders funktionieren als bisher. Derartige Regelungen in der EU, die knapp ein Viertel des weltweiten GDP erwirtschaftet, hatten schon bisher Auswirkungen weit über die Grenzen Europas hinaus. Das EU-Parlament, das in der selben Sitzung auch für die Abschaffung der Sommerzeit votierte, läutete hier zumindest in Teilen ein neues Zeitalter für das Internet ein.
Warnung vor Zensur
Es wurden im EU-Parlament keine der Abänderungsanträge zugelassen. Damit sind auch die umstrittensten Passagen beschlossen, insbesondere der als Artikel 13 bekannt gewordene (jetzt Artikel 17) Text, der für Gegner der Reform den Einsatz automatischer Filter (vulgo "Uploadfilter") mit sich bringt. Hier warnten Kritiker vor Zensur: Der Schutz vor ungerechtigten Uploads ist ihrer Meinung nach nur durch technologische Filter möglich, die die Meinungsfreiheit einschränken könnten.
Vorangegangen war eine aufgeregte, wenn auch eher schlecht besuchte Debatte im EU-Parlament in Straßburg und eine in den Tagen davor immer heftiger geführte öffentliche Diskussion.
Der Berichterstatter des Europaparlaments, Axel Voss (CDU, sieht die Abstimmung als "Sieg für die Demokratie und das Grundrecht auf Eigentum. Das Internet ist kein rechtsfreier Raum, die Prinzipien des Rechtsstaats gelten auch im Netz. Eigentumsrechte, etwa von Künstlern und Kreativen, müssen gewahrt bleiben. Ob offline oder online - Künstler, Autoren, Musiker und Journalisten haben ein Anrecht auf eine faire Vergütung ihrer Werke."
Kritiker warnen auch vor Nachteilen für europäische Digitalkonzerne.
Was jetzt im und mit dem Internet passiert
Nach der Zustimmung beginnt ein langer Prozess – mit völlig offenem Ausgang. Die Regelung muss noch durch den EU-Rat; hier könnte theoretisch ein bedeutendes Mitglied - Kritik kam insbesondere aus Deutschland - die Reform noch zu Fall bringen.
Andernfalls dürfen sich die Befürworter der Reform vorerst einmal freuen: Ihnen würde mit der Regelung, die EU-weit in nationales Recht gegossen werden muss, ein Instrument in die Hand gegeben werden, große Plattformen an die Kandare zu nehmen. Und Medien könnten Lizenzen für ihre Inhalte ausverhandeln – und ihren Anteil an den Werbeeinnahmen einfordern.
YouTube, Facebook und Co sind nun aufgefordert, mit Künstler- und Medienvertretungen Lizenzvereinbarungen zu treffen und diese so an ihren Einnahmen teilhaben zu lassen. Weiters müssten sie verhindern, dass urheberrechtlich geschützte Inhalte wiederholt hochgeladen werden.
Genau hier knüpfen die Gegner ihre größte Kritik an: Dies soll, so heißt es, nur über technologische Maßnahmen, sprich: Filter, möglich sein. Diese würden gleich beim Hochladen überprüfen, ob jemand Rechtsanspruch auf diesen Inhalt erhebt – und in diesem Fall ein Hochladen verhindern. Die Gegner fürchten hier Zensur.
Wie diese Prüfung erfolgen soll, muss nun in Gesprächen zwischen Kommission, Plattformen und Rechteinhabern geklärt werden. Ziel ist es, einen „best effort“, also eine bestmögliche Anstrengung zu unternehmen, dass kein geschütztes Material abrufbar ist. Dieser Effort soll aber rechtlich erlaubte Nutzungen – Parodie, Satire etc. – nicht beeinträchtigen.
Auch in diesem Prozess werden die Plattformen ihre monopolartige Finanzmacht ausspielen – und wohl mit einer Einstellung ihrer Dienste drohen, wie dies etwa schon in Spanien durchgezogen wurde. Dies ist wegen der Größe des EU-Marktes aber unwahrscheinlicher. Wahrscheinlicher ist, dass der Spielraum der Reform bis zum Anschlag ausgenützt wird – und die Plattformen sich großflächig Gratis- und Pauschallizenzen ausstellen lassen. Dann wäre die Reform zwar beschlossen, aber ad absurdum geführt.
Oder die Reform wird streng ausgelegt, Inhalte würden geschützt und Lizenzen erworben werden. Dann würde erwartungsgemäß ein Anlass – eine Fehlfilterung rechtmäßiger Inhalte etwa – gefunden werden, um die Regelung höchstgerichtlich überprüfen zu lassen.
Gegner und Befürworter: Stimmen nach der Abstimmung
Über einen Sprecher veröffentlichte Google seine Position zur Reform: Die Urheberrechts-Richtlinie sei "verbessert, aber wird immer noch zu Rechtsunsicherheit führen und Europas kreativer und digitaler Wirtschaft schaden".
"In der Debatte zu diesem Rechtsakt haben sich die Emotionen aufgeschaukelt, es hat auf beiden Seiten Extrempositionen und eine verletzende Wortwahl gegeben, die wir ablehnen", hieß es nach der Abstimung von Seiten der ÖVP-Delegation zum EU-Parlament. "Eines muss aber klar gesagt werden: Dass die Freiheit des Internets durch die neue EU-Richtlinie in Gefahr sei, ist falsch. Für die Userinnen und User ändert sich bei der Nutzung des Internets nichts", so Othmar Karas. Es müsse nun der Dialog mit den Usern beginnen: "Ich habe einen strukturierten Dialog mit den Userinnen und Usern unter Einbindung der Politischen Akademie und Medienminister Blümel vereinbart, der die nationale Umsetzung der EU-Richtlinie begleiten soll."
"Über fünf Millionen Menschen haben die Petition 'Save the Internet' für die Freiheit des Internets unterzeichnet. Ich gehe davon aus, dass die heute beschlossene Regelung vor dem Europäischen Gerichtshof landen wird", betont Josef Weidenholzer, Vizepräsident der SozialdemokratInnen und zuständig für Digitales.
Markus Mair, Präsident des Verbands Österreichischer Zeitungen, sprach „von einer wichtigen Weichenstellung, die den Erhalt von unabhängigem Journalismus in der digitalen Welt sichern kann. Aufgrund der jahrelangen Auseinandersetzung zur EU-Urheberrechtsreform hat diese Einigung nahezu historischen Charakter.“