Kultur

"Die Frau, die ein Jahr im Bett blieb"

Wer kann diesen Wunsch nicht nachvollziehen: Für immer im Bett bleiben. Eva Biber, Bibliothekarin aus Leicester, macht ernst. Kaum ist die Familie aus dem Haus, sperrt sie die Tür zu und legt sich ins Bett. Vorher leert die bisherige Vorzeigehausfrau noch Tomatensuppe über den Lieblingssessel, den sie einst im Volkshochschulkurs mit besticktem Seidendamast bezogen hat. Schluss mit Idylle.

Sue Townsends „Die Frau, die ein Jahr im Bett blieb“ liest sich zunächst wie ein Hausfrauenstreik. Die Kinder sind auf der Uni, Evas Mann Brian, ein Astronom, in der Arbeit (wo die Geliebte auf ihn wartet). Eva legt sich, angekleidet, samt Stöckelschuhen und geschminkten Lippen, ins Bett, zieht die Decke über den Kopf und singt, um das Handy­läuten zu übertönen, „I walk the line“ von Johnny Cash.

Sie wird „Die Frau, die ein Jahr im Bett blieb“.

Man nimmt sie nicht ernst. Hält ihren Entschluss für einen Nervenzusammenbruch. Die Schwiegermutter, die sie noch nie leiden konnte, hat es kommen sehen. Ihre eigene Mutter, die bigotte, dämliche Ruth (sie hält Barack Obama für das Oberhaupt von El Kaida), ist mit ihrer Dauerwelle und der Theorie, dass Prinz Philip Prinzessin Diana umgebracht hat, beschäftigt. Und die Kinder, die weltfremden Genies Brian Jr. und Brianne, interessieren sich ausschließlich für Mathe. („Ich habe meine Kinder nie verstanden“, wird Eva später sagen.)

Patschert

Das klingt alles sehr lustig (besonders die Anweisungen für das Weihnachtsessen, die Eva ihrem patscherten Ehemann vom Bett aus gibt), doch Eva ist radikal. Ihre Geschichte ist mehr als die Fantasie einer unbedankten Familienmanagerin. Sie räumt mit allem auf, das bisher war. Schmeißt ihren Besitz weg, verlässt das Bett nicht mehr. Auch Stoffwechsel ist Thema.

Das ist komisch, tragisch, anarchistisch. Es ist die dunkle Seite der oft erzählten Geschichte einer Unterschätzten, die endlich ihre Träume wahr macht.

Sue Townsend, seit 2001 als Folge von Diabetes blind, ist Meisterin der leichtfüßig anmutenden, letztlich bitterbösen Satire. Jahrgang 1946, gehört sie zu den meistgelesenen Autorinnen Englands. Die Serienromane über Teenager Adrian Mole und seinen Kampf gegen die Tücken des Daseins machten die Tochter einer Arbeiterfamilie international bekannt.

Zu ihren beliebtesten Themen gehört die Klassenkampf-Satire. Häufigstes Ziel ihres Spotts: Das Königshaus („Die Queen und ich“) und die sogenannte Oberschicht. Die wird auch hier nicht verschont: Etwa in Gestalt der Freundin von Evas Gatten, Titania Noble-Forester. Sie wird um die Freundschaft zu Eva betteln. Doch auch für sie gilt die traurige Wahrheit: Es wird nicht alles gut.

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Info: Sue Townsend. "Die Frau, die ein Jahr im Bett blieb". Aus dem Englischen von Juliane Zaubitzer. 445 Seiten. 21,99 Euro.

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