Kultur

Radikale Frischzellenkur für die Ohren

Er war ein Pionier der Moderne und ein radikaler Avantgardist, stets auf der Suche nach der „totalen Kunsterfahrung“. Die Rede ist von Fausto Romitelli, jenem italienischen Komponisten, der 2004 im Alter von nur 41 Jahren verstorben ist.

Im Theater an der Wien präsentierte das Klangforum Wien Romitellis letztes Werk „An Index of Metals“, eine Video-Oper für Sopran, Ensemble, Elektronik und Multimediaprojektion (2003) und bewies eindrucksvoll, wie aufregend moderne Musik klingen kann. Dabei macht es Romitelli seinen Interpreten wirklich nicht leicht. Elf Musiker, zwei Klangregisseure (Peter Böhm, Florian Bogner), ein Dirigent mit Kopfhörern (zwecks Synchronisation zwischen Live-Musik sowie Elektronik) und eine sogar mit Megafon ausgestattete Sopranistin – der Aufwand bei „An Index of Metals“ ist gigantisch. Doch er hat sich im Theater an der Wien gelohnt.

Klangskulpturen

Denn das schlicht sensationelle Klangforum Wien unter der Leitung von Baldur Brönnimann realisierte Romitellis rasant-auffahrende, extrem fordernde, zwischen allen Stilen changierende „Oper“ mit Bravour. Von Hard Rock – ein Sonderlob an den E-Gitarristen Yaron Deutsch – bis zu zärtlichen Orchester-Passagen, elektronischen Samples und Geräusch-Zuspielungen spannt sich der stilistische Bogen. Romitellis genial-radikale „Klangskulpturen“ zogen mühelos in den Bann.

Auch dank einer Ausnahmekünstlerin. Die Sopranistin Barbara Hannigan interpretierte virtuos die eingebauten, englischen Textpassagen (Gedichte von Kenka Lèkovich); ihre Stimme war in allen, auch den extremsten Lagen daheim. Vom Flüstern bis zum (gesungenen) Schrei – Hannigan gestaltete ihren Part mit unfassbarer vokaler Intensität, verlieh den oft bewusst verzerrten Worten eine starke Sogwirkung.

Um einen klassischen „Inhalt“ ging es Romitelli nicht. Er wollte Assoziationen wecken, für die ihm der Video-Künstler Paolo Pachini (mit Leonardo Romoli) die jeweiligen, abstrakten Bilder kreiert hat. Diese wurden an der Wien auf eine dreigeteilte Leinwand projiziert, sind in ihrer Umsetzung und Ästhetik aber eindeutig Kinder des vergangenen Jahrzehnts.

Egal, denn Romitellis Musik hat Bestand und wird ihre Zuhörer finden. Vor allem dann, wenn man sie so umsetzt. Das Publikum jubelte, auch wenn die „totale Kunsterfahrung“ wohl immer eine Utopie bleibt.

KURIER-Wertung: