Kultur

The Grandmaster: Kung-Fu als Ausdruckstanz

Wong Kar-wai liebt die Nacht. Deswegen nimmt er in der Öffentlichkeit niemals die Sonnenbrille ab. Und deswegen dreht er ausschließlich bei Nacht – sogar die Tagesszenen. Doch von denen gibt es in „The Grandmaster“ ohnehin nicht allzu viele.

Das vergangenheitssüchtige Martial-Epos des Hongkong-Regisseurs spielt vorzugsweise im Dunkeln, im Schnee und im Regen. Zu melancholischen Geigenklängen wie einst in seinem wunderbaren Melodram „In the Mood for Love“ kämpfen sich Wongs Liebende – allesamt Meister des Kung-Fu – durch ihr einsames Schicksal.

Inspiriert von einer Doku über den „echten“ Grandmaster – den Kampfkünstler Ip Man – und berüchtigt für seine pedantische Arbeitsweise, ließ Wong seine Schauspieler vier Jahre lang Kung-Fu trainieren. Tony Leung brach sich für die Vorbereitung auf die Titelrolle dabei zwei Mal den Arm, ehe er die gewünschte Meisterschaft erreichte.

Lehrer von Bruce Lee

„The Grandmaster“ Ip Man war nicht nur Meister des Wing Chun, einer Variante des Kung-Fu, sondern auch der Lehrer von Bruce Lee.

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Wing Chun besteht aus kleineren Kampfbewegungen. Daher drehte Wong seine Kampfszenen als enge, intime Duette zwischen zwei Kämpfern. Kleine Bewegungen mit Händen und Füßen, punktgenau abgezirkelt, sorgen für eine kleinteilige, aber atemberaubende Dynamik. Denn, so sagt Tony Leung als Großmeister Ip Man zu seiner Gegnerin einmal treffend: „Kung-Fu ist Präzision. Wenn ich etwas zerbreche, hast du gewonnen.“

Leungs Partnerin Zhang Ziyi perfektionierte ihre Technik der „64 Hände“ ebenfalls in jahrelangem Training. Mit der Grazie einer Primaballerina tanzt sie ihr einsames Kung-Fu-Ballett im Schneegestöber als Abschied von der Kindheit. Oder als tödliches Furore auf einem Bahnhof, in der Begegnung mit dem Mörder des Vaters.

Dieses Duell inszeniert Wong als zwei konkurrierende Formen der Bewegungung: Kung-Fu, mit seiner eleganten Fußarbeit und den scharfen Handschlägen in Slow-Motion setzt er gegen das mechanische Einfahren des Zuges. Die Lokomotive, das quintessenzielle Bild der Moderne, markiert dabei das Ende der traditionellen Kampfkunst.

Immer wieder verliert sich Wong im Gestrüpp der Jahrzehnte und führt Figuren ein, die abrupt wieder verschwinden. Auch erschöpft er sich in visuellen Manierismen wie endlosen Großaufnahmen und gleitenden Kamerabewegungen. Doch die Schauwerte machen diese Langatmigkeit wieder wett.

Denn selten hat man Kung-Fu als so schönen Ausdruckstanz der Seele gesehen, die sich vergeblich nach der Vergangenheit sehnt.

KURIER-Wertung: **** von *****

INFO: The Grandmaster. HK / CHINA / USA 20013. 123 Min. Von Wong Kar-wai. Mit Tony Leung.

Zum Frühstück gibt es die üblichen Katastrophen-Meldungen im Fernsehen. Dann folgt der typische Stau im Morgenverkehr. Mit Frau und zwei Kindern steckt Brad Pitt als engagierter Familienvater in der Kolonne und übt sich in Geduld – bis unvermutet Panik ausbricht. Menschen beginnen sich plötzlich wie Epileptiker am Boden zu winden, ihre Augäpfel verdrehen sich. Und dann rasen sie auf ihre Nachbarn los, um sie – in Zombies zu verwandeln.

Marc Forsters düsterer Katastrophen-Thriller setzt trotz Zombie-Attacke auf größtmöglichen Realismus. Er konzentriert globale Ängsten wie Überbevölkerung und Pandemie auf die Figur des infizierten Untoten, der in wilden Massenbewegungen über die Restbevölkerung herfällt. Auch Brad Pitt mutiert nie zum Superhelden, sondern lediglich zum tapferen Familienvater.

Dabei gelingen Forster immer wieder bedrückende Bilder – etwa, wenn Horden von Zombie-Leibern über die Mauern von Jerusalem klettern wollen. Oder ein Flugzeug zum Absturz bringen.

Als Horrorfilm ist „World War Z“ allerdings nicht sehr gruselig; und im Realismus-Thriller nimmt sich der Zombie mit seinen klappernden Zähnen immer auch ein wenig lächerlich aus.

KURIER-Wertung: **** von *****

INFO: Science Fiction. "World War Z". USA/MALTA 2013. 116 Min. Von Marc Forster. Mit Brad Pitt, Mireille Enos, Daniella Kertesz.

Nicht alles ist eine Lüge: Der Eiskasten ist wirklich kaputt, und daher müssen alle zu Hause warmes Wasser trinken. Aber der Rest – der verbrannte Vater und die brennende Mutter, die sich aus dem Fenster stürzt: alles erfunden.

Ana ist nämlich Schauspielerin. Keine besonders erfolgreiche, aber immerhin. Und als Schauspielerin kann sie natürlich auch eine Prostituierte spielen, wenn es sein muss. Ana will nämlich unbedingt gegen gutes Geld (für einen neuen Eiskasten) in einer österreichischen Doku auftreten: „Whore’s Story“ soll die Arbeit heißen – und von Sexarbeiterinnen aus aller Welt berichten.

Der Regisseur heißt aber nicht Michael Glawogger, der an einer Fortsetzung von „Whore’s Glory“ arbeitet, sondern Michael Ostrowski. Ostrowski in seiner Rolle als Doku-Filmer macht seine Sache ungewohnt ernsthaft. Die Komik überlässt er den kubanischen Kolleginnen, die in ihrer Fake-Doku als Prostituierte einen herausfordernden Alltag meistern.

Der kubanische Regisseur Daniel Díaz Torres setzt auf milde Kuba-Klischee-Komik (andauernde Stromausfälle etc.), gespickt mit einem Hauch von Sozialrealismus – in der allerersten Kino-Koproduktion zwischen Österreich und Kuba.

KURIER-Wertung: *** von *****

INFO: Tragikomödie. "Lügen auf kubanisch". KUBA/Ö 2013. 99 Min. Von Daniel Díaz Torres; mit Michael Ostrowski, Laura de la Uz.