Starke Filme auf der Viennale: Die vielen Leben der Frauen
Von Alexandra Seibel
Eine junge Frau und ihr Mann besuchen die karge Insel Fårö. Dort lebte einst der berühmte schwedische Regisseur Ingmar Bergman, in dessen Haus das Paar einzieht, um für einige Wochen in Ruhe arbeiten zu können.
Beide sind Filmemacher. Er ist allerdings um einiges älter und um einiges berühmter als sie. Während er fleißig in sein Heft kritzelt und mit der Arbeit gut vorankommt, kämpft sie mit einer Schreibblockade.
„Wenn du nicht vorankommst, mach einfach etwas anderes“, lautet der wenig sensible Ratschlag des Mannes. „Was denn?“, fragt sie verzweifelt zurück: „Vollzeit- Hausfrau werden?“
„Bergman Island“ nennt die französische Filmemacherin Mia Hansen-Løve ihren neuen, autobiografisch gefärbten Film, in dem eine junge Frau um ihre fragile Position als Filmemacherin kämpft.
„Bergman Island“ läuft im Rahmen der Viennale, die am Donnerstagabend startet und deren Programm die starke Handschrift zeitgenössischer Filmemacherinnen trägt. Dass es für Frauen kompliziert ist, im weitgehend von Männern dominierten Regiefach Fuß zu fassen, ist weitgehend bekannt. Hansen-Løve aber erzählt leichtfüßig und humorvoll von der Schwierigkeit, den eigenen künstlerischen Ansprüchen gerecht zu werden – noch dazu vis à vis eines erfolgreichen Mannes, mit dem man eine Liebesbeziehung hat.
Schmerz übersetzen
Auch die britische Regisseurin Joanna Hogg thematisiert ihren Werdegang als Regisseurin in den autobiografisch inspirierten, zerbrechlichen Filmdramen „The Souvenir“ und „The Souvenir II“ – ebenfalls beide auf der Viennale zu sehen.
Im Mittelpunkt steht eine junge Frau namens Julie, die sich Anfang der 80er Jahre an der Filmschule in London eingeschrieben hat und sich gleichzeitig in eine komplizierte Liebesbeziehung verwickelt.
„Warum drehen Sie nicht einen Film über etwas, was mit Ihrer eigenen Erfahrung zu tun hat?“, wird Julie von einem ihrer (ausschließlich männlichen) Lehrer an der Filmschule gefragt. Doch gerade die Übersetzung schmerzhafter persönlicher Erfahrungen in die Bilder eines Filmes lässt Julie fast scheitern, ehe sie im zweiten Teil von „The Souvenir“ nicht nur das Ende der Liebesbeziehung bewältigt, sondern ihre eigene Sprache findet. Hoggs Rekapitulation der Regisseurin als junge, unsichere Frau ist umso eindringlicher, als Julie von Honor Swinton Byrne, Tochter von Tilda Swinton, gespielt wird. Swinton selbst übernimmt die Rolle der überbesorgten Mutter und grundiert mit ihrem liebevollem Spiel das subtile Frauenporträt.
Illegal
Für den Eröffnungsfilm hat Viennale-Chefin Eva Sangiorgi die Siegerin des Goldenen Löwen in Venedig ausgesucht. Auch die französisch-libanesische Regisseurin Audrey Diwan verfilmte persönliche Erfahrungen, wenn auch nicht die eigenen. In ihrem nüchtern erzählten Coming-of-Age-Drama „L’événement“ („Das Ereignis“) adaptierte sie die autobiografischen Erlebnisse der Schriftstellerin Annie Ernaux, die in den 60-er Jahren als Schülerin schwanger wurde und abtreiben wollte, um ihre Ausbildungsmöglichkeiten nicht zu gefährden. Abtreibung war damals in Frankreich illegal und zwang die junge Frau, sich einer Reihe demütigender und lebensgefährlicher Prozesse zu unterziehen.
Definitiv keine eigenen Erfahrungen hat Oscarpreisträgerin Jane Campion in ihrem exzellenten Western „The Power of the Dog“ verfilmt. Ihn anzusehen ist aber jedenfalls die Erfahrung wert.