Staatssekretärin Lunacek: "Ich mag das Widerständige"
Von Thomas Trenkler
Früher einmal war die Kultur beim Unterricht – und daher am Minoritenplatz. Später im Kanzleramt – und daher am Ballhausplatz. Ulrike Lunacek, die neue Staatssekretärin, wird aber am Concordiaplatz residieren. Dort, in einem unscheinbaren Neubau, ist die Kunst- und Kultursektion untergebracht.
Zum ersten Mal in der Geschichte gibt es also keine langen Wege. Und im Gegensatz zu ihren Vorgängern hat Lunacek keine weiteren, zeitraubenden Aufgaben: Sie kann sich vorrangig um Kunst und Kultur kümmern. Das betont sie beim Gespräch gleich zu Beginn – wohl um ihren Kritikern den Wind aus den Segeln zu nehmen, die Klage führen, dass die Kultur nun nicht mehr in einem Ministerium angesiedelt ist.
Auch für Lunacek kam das Angebot „überraschend“. Am Silvestertag hätte Werner Kogler sie angerufen: „Willst Du Staatssekretärin werden im Bundesministerium für öffentlichen Dienst, Sport und Kultur?“ Noch vor Mitternacht hätte sie dem langjährigen Weggefährten zugesagt. Denn: „Ich komme zwar nicht aus den Kulturinstitutionen, aber ich bin mein Leben lang ein sehr kultur- und kunstinteressierter Mensch.“ Und sie bringe doch einiges an politischer Erfahrung mit.
Zu den Dingen stehen
Lunacek, am 26. Mai 1957 in Krems an der Donau geboren, war unter anderem von 1999 bis 2009 Abgeordnete der Grünen zum Nationalrat, ehe sie ins EU-Parlament wechselte (ab Juli 2014 Vizepräsidentin). Nach den großen Zwistigkeiten in ihrer Partei war sie bei der Nationalratswahl 2017 die Spitzenkandidatin der Grünen. Und sie übernahm, wiewohl sie sich nichts hatte zu Schulden kommen lassen, die Verantwortung für das Debakel: Am 17. Oktober trat sie von allen Ämtern und als EU-Abgeordnete zurück.
Mit dem Angebot, an die vordere Front zurückzukehren, dürfte sich Kogler also auch für ihr Engagement bedankt haben, als Peter Pilz mit ein paar Getreuen eine eigene Liste gründete.Die politische Laufbahn hatte bereits 1995 begonnen. Und Lunacek bekannte sich von Anfang an zu ihrer Beziehung zu einer Frau. „Ich habe nie verstanden, warum sich wer davor fürchtet, dazu zu stehen, wen man liebt. Meine Eltern waren damals in Australien auf Urlaub. Es gab noch keine Handys, also schrieb ich ihnen ein Fax. Soll ich die Anekdote erzählen?“
Natürlich! Und dann beginnt Lunacek mit der Vorgeschichte: „Mein Bruder und ich waren als Kinder mit den Eltern in einem besseren Restaurant essen. Ich bestellte Hendl. Und fragte dann: Darf ich das jetzt in die Hand nehmen und abnagen – so wie zu Hause auch? Und mein Vater sagte: Wenn Ihr das mit Selbstverständlichkeit macht, dann regt sich niemand auf.“
Daran erinnerte Lunacek ihre Eltern: „Ich schrieb: ,Ihr habt uns immer beigebracht, dass wir zu den Dingen, die wir tun, stehen. Ja, ich kandidiere für die Grünen.‘ Das war für den Vater, einem pensionierten Raiffeisen-Ware-Generaldirektor mit ÖVP-Hintergrund, und meine Mutter nicht so einfach. ,Aber auch offen als Lesbe.‘ Am nächsten Tag kam ein Anruf aus Australien. Mein Vater am Telefon. ,Es ist gut, dass Du das so machst. Du musst Dir den Rücken freihalten, Du darfst nicht erpressbar sein.‘“
Faire Bezahlung
Nun wird sie umsetzen, was andere, darunter Parteikollegin Eva Blimlinger, ausverhandelt haben. Aber sie bekennt sich zum Regierungsprogramm – und greift ein paar Punkte heraus, die ihr besonders wichtig seien: der Ankauf der Gedenkstätte KZ Mauthausen-Gusen; der Ausbau der Provenienzforschung hinsichtlich kolonialer Erwerbungen; die sozial- und arbeitsrechtliche Absicherung der Kunstschaffenden inklusive fairer Bezahlung; die Einhaltung ökologischer Aspekte bei Sanierungen und Filmproduktionen. Und natürlich: die Anhebung des Budgets.
Zudem teilt sie die Ansicht von Eva Blimlinger, dass es kein Fotomuseum braucht. (ÖVP-Landeshauptmann Wilfried Haslauer kämpft um ein solches auf dem Mönchsberg.) Lunacek pflichtet Blimlinger auch bezüglich des Hauses der Geschichte Österreich bei: „Als ich das erste mal dort war, dachte ich mir: So geht’s nicht! Die Situation in der Hofburg ist viel zu beengt!“ Aber konkrete Ansagen oder Versprechungen will Lunacek noch keine machen.
Zumal sie noch nicht offiziell für die Kunst- und Kultur zuständig ist. Das entsprechende Bundesministeriengesetz werde erst am 29. Jänner verabschiedet. Davor kann Lunacek auch keine Entscheidungen treffen (etwa hinsichtlich der künftigen Leitung für das Mumok). Aber diese würden vorbereitet. Und mit Blimlinger, die künftig den parlamentarischen Kulturausschuss leitet, werde sie eng zusammenarbeiten.
Nicht nachvollziehbar
Lunacek redet daher lieber über ihr Kulturverständnis – und ihren Zugang zur Kunst. Aufgrund ihrer Eltern – der Vater war in den 30er-Jahren Sängerknabe – kenne sie den Musikverein von innen, sie lese gerade die Biografie des Dirigenten Adam Fischer, auf ihrem Nachtkasterl liege ein Haufen Bücher, sie habe vor vielen Jahren im Theater Brett von Nika Brettschneider und Ludvik Kavin mitgespielt und besuche die Wiener Off-Bühne, nun Theater Arche genannt, weiterhin.Die österreichische Kulturlandschaft erinnere sie an ein Mosaik; die Kritik sei für sie das Salz der Demokratie – und da spiele die Kunst eine große Rolle: „Ich mag das Widerständige!“
So halsstarrig wie Peter Handke darf man aber scheinbar nicht sein. Denn Lunacek sagt: „Ich habe die Entscheidung der Literaturnobelpreisjury nicht nachvollziehen können.“