Kultur

Die hohe Kunst des Überlebens

Kaufen, ja oder nein? Ein runder Tisch bei Kulturminister Josef Ostermayer soll klären, ob die Republik die Kunstsammlung Essl erwirbt. Der Erlös für das Museum mit Sitz in Klosterneuburg (kolportierter Buchwert: 86 Mio. Euro) würde zur Sanierung der Baumarktkette gebraucht, die 8900 Mitarbeiter beschäftigt – davon 4000 in Österreich.

Ins Ministerium geladen sind für heute, Mittwoch, Vertreter des Landes Niederösterreich, der Gläubigerbanken Bank Austria, Raiffeisen und Erste sowie die Familie Essl. Auch Arbeits- und Finanzministerium sind vertreten.

Würde der Verkauf der Kunstsammlung reichen, um bauMax zu retten?

bauMax hat Schulden von fast einer Milliarde Euro. Gemessen daran klingt der mögliche Verkaufserlös verschwindend. Es könnte aber genug sein, um den akuten Finanzbedarf zu decken, heißt es aus Bankenkreisen. "Das würde Liquidität bringen und die Chance einer Sanierung verbessern", sagt Gerhard Weinhofer vom Gläubigerschutzverband Creditreform. Ob es reicht, sei schwer zu sagen, solange die Verluste für das Jahr 2013 noch nicht beziffert sind.

Wie sind die Chancen, dass die Sanierung klappt?

Banken und andere Gläubiger sind überraschend optimistisch. "Alle Forderungen von Lieferanten werden bedient, das ist ein positives Signal", sagt Weinhofer. Allerdings müsste bauMax die großen Verlustbringer in Osteuropa rasch loswerden – das verursacht Schließungskosten. Der Rückzug aus der Türkei, Rumänien, Bulgarien, womöglich Kroatien und Slowenien, wird nicht bestätigt, gilt aber als so gut wie fix. Damit würde ein Viertel der 160 bauMax-Märkte geschlossen. Als Kernregion bliebe Österreich, Tschechien, Slowakei, Ungarn. Dass sich Essl von einem seiner Lebenswerke (der Sammlung) trennt, um das andere (die Baumärkte) zu retten, wird von Gläubigerseite durchaus honoriert.

Wie bedeutsam ist die Sammlung? Wer sind die wichtigsten Künstler?

Das Ehepaar Essl hat die umfangreichste Privatsammlung österreichischer Kunst seit 1945 zusammengetragen; besonders bei der Malerei (Max Weiler, Arnulf Rainer, Maria Lassnig, Wolfgang Hollegha) hat die Sammlung vielen Museen einiges voraus. Durch den regen Ankauf internationaler Kunst schafften es die Essls 2009 ins ArtNews-Ranking der 200 bedeutendsten Sammler der Welt. Einige Sammlungsbereiche sind aber rein von persönlichen Vorlieben getragen.

Wäre der Ankauf der Sammlung für die Republik ein gutes Geschäft?

Ja. Zwar fehlen Details über den Schätzwert (kolportiert: 250 Millionen Euro) und den von Essl geforderten Preis. Klar ist: Die Republik könnte um verhältnismäßig wenig Geld eine Sammlung erstehen, die in vergleichbarem Umfang am Markt heute nicht mehr erhältlich bzw. erschwinglich ist. Einzelne Positionen werden zudem weiter an Wert gewinnen.

Wer könnte noch an den Bildern Interesse haben?

Nach den Spitzenwerken österreichischer und internationaler Kunst besteht am Markt durchaus Nachfrage – auch international. An der Sammlung "im Paket" gibt es weniger Interesse: Privat- und Firmensammlungen definieren sich lieber über die eigene als eine fremde Auswahl. Ein staatlicher Ankauf wäre als Würdigung des Mäzens Essl zu verstehen – ähnlich, wie es bei der Sammlung Rudolf Leopold der Fall war.

Was würde passieren, wenn jedes Werk für sich versteigert würde?

Einzelne Spitzenwerke – etwa ein Wolkenbild von Gerhard Richter – könnten Rekordpreise von bis zu 30 Mio. Euro bringen, doch vieles wäre auch unverkäuflich. Wenn der Markt nicht "überschwemmt", sondern über einen Zeitraum von mehreren Jahren mit "Filetstücken" versorgt würde, wären Erlöse von 250 Mio. Euro und mehr durchaus denkbar.

Wie ist es zur Schieflage von bauMax gekommen?

bauMax war 1992 einer der Handelspioniere in Osteuropa. Die rasche Expansion im Osten wurde mit der Krise allerdings zum Mühlstein. Als Erstes haben die Menschen die Ausgaben fürs Eigenheim gestrichen. Den Baumärkten brachen so Umsätze weg. Die Erholung ließ zudem länger auf sich warten als erhofft – deshalb hat bauMax hohe Verluste.

Warum haftet der Staat für Kredite von bauMax?

Am Höhepunkt der Krise 2009 drohte die Kreditvergabe zu kollabieren. Deshalb griff die Republik etlichen mittelgroßen und großen Unternehmen mit Garantien bis zu 300 Mio. Euro unter die Arme – im Gegenzug für ein Haftungsentgelt. Bei bauMax sind noch 18 Millionen Euro Staatshaftung ausständig. Diese würde schlagend, wenn die Kredite nicht bezahlt werden oder bauMax pleitegeht.

Welche Unternehmen profitieren noch von solchen Kredithaftungen?

Knapp 50 Firmen haben Garantien über 1,4 Mrd. Euro abgerufen. Das galt als enttäuschend, weil 10 Mrd. Euro parat standen. Heute sind noch rund 450 Mio. Euro Garantien offen, Ende 2015 laufen die letzten Kredite aus. Wer diese abgerufen hat, hält der Finanzminister geheim. "Ich bin der Meinung, man sollte das nicht verschweigen", sagte Kanzler Faymann. Es gebe aber Datenschutz-Bedenken. Ausgefallen sind bisher Kredite der Baufirma Alpine. Die Republik prozessiert mit sieben Banken, die wegen der Haftung 151 Mio. Euro fordern.

Die Museumsdirektoren sind dagegen. Die Galeristen sind dagegen. Die in Fragen der zeitgenössischen Kunst so gerne zornigen Onlineforenkommentierer sind dagegen. In solchen eindeutigen Stimmungsfällen ist die Politik gerne plötzlich doch auch dagegen. Und dennoch: Es wäre richtig und wichtig, die Sammlung Essl anzukaufen.

Es ist Aufgabe der Politik, auch Fragen zu beantworten, die keine einfache Antwort zulassen. Warum wir uns etwa, angesichts der klammen Kassen, ausgerechnet Kunst leisten müssen. Warum es kein Luxus ist, zu bewahren, was einen Staat mitdefiniert: die eigene Kulturgeschichte.

Dazu zählt vieles in der Sammlung Essl. Auch wenn sich einige über den künstlerischen Wert des inbrünstig abgelehnten Zeitgenössischen erst klar werden müssen. Das kennt man, das war bei Schiele und Klimt genauso.

Klar hat die Sammlung Lücken. Die Museumsdirektoren verweisen deshalb auf diese Fehlstellen, weil sie selbst gerne mehr Geld für Kunstankäufe hätten. Ob es das geben wird? Der Essl-Ankauf würde daran wenig ändern. Im schlechtesten Fall stehen wir da und haben weder eine Sammlung, noch mehr Geld für Kunst und Kultur. Dann haben alle verloren.

Es besteht überhaupt kein zwingender Grund und keine Notwendigkeit für die Republik Österreich, die Kunstsammlung Essl zu kaufen. Das Argument, der Bilderverkauf würde 4000 Arbeitsplätze in Österreich sichern, ist wirtschaftlich nicht haltbar. Die Baumarktkette hat sich finanziell schwer überhoben und muss sich wie andere Unternehmen auch selbst aus dem Schlamassel ziehen. Wenn dafür das Privatvermögen des Gründers herangezogen werden muss, soll es so sein. Nur weil dieser Essl heißt und ein ehrenwerter Kunstmäzen ist, darf sich der Staat nicht als Gläubigerschützer aufspielen. Die (unvorsichtig?) kreditgebenden Banken wären ob der weiteren Steuermillionen fein raus. Wenn die Bilder angeblich so wertvoll sind, könnten sie private Investoren aus dem In- und Ausland ebenso gut aufkaufen und sie als Leihgabe der Republik überlassen. Warum der Steuerzahler dafür aufkommen soll, ist nicht einzusehen.

Österreichs Museen sind reich an Kunstschätzen, die es gilt, mit Steuergeld zu erhalten. Es ist absurd, dass auf der einen Seite staatliche Museen ausgehungert werden, um auf der anderen private Kunstsammlungen "zu retten". Vor wem eigentlich?