Kultur

Und jetzt kann Hollywood kommen

So sieht ein Triumph aus, so hört sich ein Triumph auch an. Denn was Dirigent Christian Thielemann, Regisseur Philipp Stölzl und Startenor Jonas Kaufmann mit Pietro Mascagnis "Cavalleria rusticana" und Ruggero Leoncavallos "Pagliacci" bei den Salzburger Osterfestspielen machen, verdient schlicht die Bezeichnung Weltklasse.

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Aber der Reihe nach: Erstmals hat sich Thielemann in Salzburg mit der Sächsischen Staatskapelle Dresden (toll auch der Chor) dieser beiden, so populären Verismo-Opern angenommen und zeigt (Reprise: 6. April), wie genial diese Musik interpretiert werden kann. Denn Thielemann liefert mit dem fabelhaften Orchester keine kraftmeierische, oft zu billige Schlachtplatte ab, sondern zelebriert intensive Psychodramen.

Anti-Helden

Auf der einen Seite steht der junge, emotional überhitze Turiddu (vollendet: Jonas Kaufmann), der aufgrund einer "Amour fou" in den bewussten Duell-Tod geht. Auf der anderen Seite ist es der von Eifersucht getriebene Canio (gigantisch: Jonas Kaufmann), der als tragischer Gaukler seine Frau Nedda und deren Liebhaber auf offener Bühne ersticht. Zwei Anti-Helden, die dank des famosen Dirigats von Christian Thielemann in all ihren Facetten erfahrbar werden. Thielemann und die Dresdner – Richard Strauss hat einst das Orchester nicht zu Unrecht als "Wunderharfe" bezeichnet – modellieren Mascagni und Leoncavallos Musik hinreißend aus, nehmen sich Zeit für sensible, melodische Seelen-Porträts, liefern aber im richtigen Moment auch perfekte Dramatik ab. Was da aus dem Graben kommt, ist in seinen Nuancen sensationell.

Maßstäbe

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Und Thielemann hat mit Jonas Kaufmann einen Tenor zur Verfügung, der in beiden Rollen Maßstäbe setzt. Kaufmann singt beide Partien so lyrisch, mit so viel Italiantià, mit Schmelz und perfekt sitzenden Höhen, dass es eine pure Freude ist. Und Kaufmann ist auch ein Singschauspieler im besten Sinn, den Regisseur Philipp Stölzl in seiner extrem filmischen Umsetzung (Kostüme: Ursula Kudrna) auch braucht.

Stölzl teilt die Bühne des Festspielhauses in mehrere Ebenen auf. Unten finden Massenszenen statt, oben ist Raum für private Gefühle. Diese aber werden via Kamera als Close-ups projiziert: Das Live-Geschehen wird optisch verdoppelt oder sogar verdreifacht. Wenn sich Canio per Schminke zum mörderischen Komödianten verwandelt, hält Stölzl mit der Kamera drauf und Jonas Kaufmann könnte so als eindringlicher Method-Actor der Marke Robert De Niro durchgehen. Sollte das ein Hollywood-Regisseur sehen, hätte Kaufmann wohl sofort ein Ticket nach Los Angeles.

Starke Männer

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Aber auch andere brillieren stimmlich wir darstellerisch: Ambrogio Maestri etwa als Mafia-Pate Alfio in der expressionistisch, beinahe nur in Schwarz-Weiß gehaltenen "Cavalleria" oder Dimitri Platanias in der bunten Zirkus-Atmosphäre des "Pagliacci" als feister Intrigant Tonio. Gut auch: Alessio Arduini als Silvio und Tansel Akzeybek als souveräner Beppe.

Und die Damen? Annalisa Stroppa gestaltet eine verführerische Lola in "Cavalleria", Stefania Toczyska ist eine biedere Mutter. Nur Liudmyla Monastyrska glaubt man die Santuzza nur selten, weder schauspielerisch, noch vokal. Über (zu) harmloses Mittelmaß kommt die dramatische Sopranistin kaum hinaus.

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Da ist Maria Agresta als fremdgehende Nedda auch stimmlich aus ganz anderem Holz geschnitzt. Sie bildet neben Kaufmann das erotisch-sensible Kraftzentrum in "Pagliacci". Auch dann, wenn die Kamera mit aller Brutalität dran bleibt. Denn die Osterfestpiele Salzburg 2015 sind ganz großesKino.

KURIER-Wertung:

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Nach dem Erfolg mit Mascagnis "Cavalleria rusticana" und Leoncavallos "Pagliacci" bei den Salzburger Osterfestspielen bleibt Christian Thielemann den Italienern treu. 2016 wird der Stardirigent Giuseppe Verdis "Otello" dirigieren; in der Titelpartie ist der Tenor Johan Botha zu hören. Seine Desdemona wird von Dorothea Röschmann verkörpert.

"Ich habe diese Oper vor Jahren in Bologna gemacht und freue mich schon seit Langem wieder auf dieses Werk", so der Dirigent. "Aber man kann den ‚Otello‘ nur machen, wenn man einen ‚Otello‘ hat. Und da gibt es im Moment niemanden, den man mit Johan Botha vergleichen kann", sagt Thielemann.

Ausgehend vom "Otello" auch im Konzert Bezüge zu Shakespeare herzustellen, das bezeichnet Peter Ruzicka, ab 1. Juli 2015 neuer geschäftsführender Intendant der Osterfestspiele, als seine Herausforderung. Der Salzburger Festspiel-Intendant der Jahre 2001 bis 2006 freut sich, als Kopilot neben Thielemann wieder in Salzburg arbeiten zu können.

Erfolge meldet das Festival bereits für 2015. Wie der kaufmännische Geschäftsführer Bernd Gaubinger bekannt gab, werde die Auslastung heuer deutlich über 90 Prozent betragen. Die Eigenfinanzierungsquote liegt bei 88 Prozent.

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