Kultur

Salzburg: Standing Ovations für einen ungemütlichen "Jedermann"

Vom "Jedermann" in Salzburg kann man zweierlei lernen: Wir alle müssen sterben, und zwar bei Schlechtwetter im Festspielhaus. Die heurige Festspiel-Premiere wich dem Wetter nach Innen aus, eine Bewegung, der sich Tobias Morettis Jedermann lange widersetzt: Moretti ist ein ungemütlicher, ein überdrüssiger Jedermann, der seiner Umwelt als Zumutung begegnet.

Zuerst der Zumutung seiner Mitmenschen, die doch wirklich arm sind oder etwas von ihm wollen oder, als seine Entourage, hohl und leer sind. Dann die Zumutung der ihm auferlegten Läuterungsreise, in der er erst im aller-, allerletzten Moment eine emotionale Volte macht, einen Sprung in die Ergebenheit, der letztlich seine Reinwaschung ermöglicht. Das war knapp, so knapp wie in den letzten Jahren am Domplatz nicht. Zuvor stößt dieser Jedermann seine Werke - eh schwächlich, eh auf seiner Seite - zu Boden und versucht, den Mammon mit Gewalt ins Jenseits mitzunehmen.

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Die Buhlschaft

Stefanie ist nicht vergnügt herumhüpfendes Beiwerk, sondern moderne Gefährtin.

  • Das Kleid - heimlicher Star, heimliches Zentrum aller Jedermann-Aufführungen, das oftmals lieber diskutiert wird als die Kunst - gibt es hier nur mehr als Attrappe: Reinspergers Auftritt im roten Wallegewand entpuppt sich als Satire auf die Oberflächlichkeit in der Jedermann-Rezeption: Es ist ein zweidimensionales Kleidbild, Reinsperger schält sich aus dem Ärmel und spielt sonst im eleganten kleinen Schwarzen.

 

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  • Abschied nimmt hier nicht ein Mann von der idealisierten Frau an sich, sondern nehmen zwei konkrete Personen voneinander - die Wunde ist heuer eine andere als sonst: Jedermann ist nicht in seiner Eitelkeit gekränkt, sondern einer Partnerin beraubt, die ihn zurücklässt.

Außergewöhnlich

  • Vor allem Peter Lohmeyer als sich windender, Sessel in Richtung Publikum und Stöckelschuhe auf den Jedermann werfender Tod bleibt eine Idealbesetzung.

 

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  • Mavie Hörbiger als schwindsüchtige, aus der Balence geworfenen Werke, die letztlich aber doch den Weg zum Glauben öffnen, erhielt zuletzt viel Applaus.


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  • Wolfgang Mitterers neue Musik verleiht der Produktion abstrakte Dichte.

Die Produktion

Der "Jedermann" wurde im Vorjahr in Windeseile neu inszeniert - und heuer nachformuliert. Michael Sturmingers Regie bringen die Vorstellungen Morettis auf die Bühne. Und der sieht den Jedermann nicht als gemütliche Theater-Vorspeise zum Nobeldinner, nicht als Festspiel-Märchen mit Moral, sondern als existentielles, bitterernstes Männerdrama. Man hatte es bei Hofmannsthal schon viel gemütlicher. Das Publikum jedenfalls goutierte es: Zum Schluss gab es Standing Ovations.

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