Salzburger Festspiele 2023: Aus den Fugen, auf der Flucht
Von Thomas Trenkler
Akkurat in Reihe standen sie auf der Bühne des Hauses für Mozart, um das Programm der Salzburger Festspiele zu präsentieren – mit Präsidentin Kristina Hammer in der Mitte, die das Max-Reinhardt-Jahr ausrief: 2023 ist der 150. Geburtstag des „Gründungsvaters“ – und zugleich dessen 80. Todestag.
Ablesbar ist dies (noch) nicht am Spielplan, das Sonderprogramm wird im Frühjahr bekannt gegeben. Fest steht nur: Am 31. Juli gibt es eine „Marathon-Lesung“ von Ex-Jedermann Tobias Moretti und Ex-Jedermann-Mutter Edith Clever mit Briefen aus dem US-Exil von Max Reinhardt und seiner Frau Helene Thimig nach der Machtübernahme des Hitler Regimes.
Wie Zinnsoldaten standen sie also auf der Bühne, nur Markus Hinterhäuser, der Intendant, lümmelte an seinem Stehtisch. Als Motto wählte er das wenig optimistische Hamlet-Zitat „Die Welt ist aus den Fugen“. Und wirklich heiter wird es ab 20. Juli – die Festspiele starten mit der Ouverture spirituelle unter dem Titel „Lux aeterna“ (Ewiges Licht) – nicht. Nicht einmal bei „Falstaff“ (ab 12. August im Großen Festspielhaus, Ingo Metzmacher dirigiert die Wiener Philharmoniker). Denn in der letzten Fuge lasse Giuseppe Verdi seine Zweifel anklingen, ob die Welt tatsächlich ein Heidenspaß sei. Und weil das italienische Wort für Fuge auch Flucht bedeute, gehe es auch um Weltflucht.
Inszenieren wird übrigens Christoph Marthaler, der einst mit seiner hinreißend leichten Interpretation von Mozarts „Le nozze di Figaro“ Buh-Orkane entfacht hatte. Diese Da-Ponte-Oper kommt nun neu heraus – in der Regie von Burgtheater-Direktor Martin Kušej, der unter dem Eindruck der Gegenwart von einsamen „Einzelkämpfern auf der Suche nach dem schnellen Kick“ erzählen will. Die musikalische Leitung obliegt dem 38-jährigen Raphaël Pichon.
Dieser stehe, so Hinterhäuser, für einen Generationswechsel unter den Dirigenten – zusammen mit Maxime Pascal, der für „Die griechische Passion“ von Bohuslav Martinůs verpflichtet wurde. In die Gegenwart geholt wird diese Oper, in der eine Welt der Hartherzigkeit auch gegenüber Asylanten herrscht, von Simon Stone.
Mord und Totschlag zuhauf gibt es auch in der zweiten Verdi-Oper 2023: Krzysztof Warlikowski inszeniert „Macbeth“, für Hinterhäuser eine „Unheilsoper“, „ein kosmologisches Vakuum“, „eine Oper, die eine Blutspur hinterlässt“ und „existenzielle Fragen von Schuld und Sühne und Grausamkeit“ stellt. Franz Welser-Möst dirigiert, Asmik Grigorian wird als Rollendebüt die Lady Macbeth geben. Sie bestreitet zudem einen Liederabend.
Currentzis mit Mozart
Im Konzertprogramm von Florian Wiegand gibt es u. a. einen Schwerpunkt zum Komponisten György Ligeti, der 2023 seinen 100. Geburtstag gefeiert hätte. Teodor Currentzis und sein neues Ensemble Utopia spielen zweimal Mozarts c-Moll-Messe – und konzertant „The Indian Queen“ von Henry Purcell. An seiner Einstellung zu Currentzis habe sich nichts geändert, sagte Hinterhäuser, er freue sich auf ihn und sein neues Orchester.
Von den Pfingstfestpielen wird Glucks „Orfeo ed Euridice“ in der Parma-Fassung von 1769 in der Regie von Christof Loy übernommen – natürlich mit Cecilia Bartoli.
Schauspielchefin Bettina Hering verpflichte erneut Ulrich Rasche: Er inszeniert Lessings „Nathan der Weise“ auf der Perner-Insel mit Judith Engel in der Titelrolle. Karin Henkel, die mit Lina Beckmann zweimal für Höhepunkte sorgte, adaptiert Michael Hanekes Oscar-gekrönten Film „Amour“ („Liebe“) mit André Jung. Und Jorinde Dröse dramatisiert den in Salzburg spielenden Roman „Die Wut, die bleibt“ der Halleinerin Mareike Fallwickl (über den Selbstmord einer Mutter) in einer Koproduktion mit Hannover.
Und die Gruppe Rimini Protokoll integriert in ihre Umsetzung von Bert Brechts „Der kaukasische Kreidekreis“ Menschen mit kognitiven Beeinträchtigungen. Die Tanzproduktion „Into the Hairy“ von Sharon Eyal und Gai Behar mit deren L-E-V Dance Company werde alle fesseln. Mit ihrem Programm (auch den Lesungen) sorgt die scheidende Theaterchefin wenigstens für etwas Frauenpower: Bei Hinterhäuser führen nur Männer Regie.
Von 20. Juli bis 31. August 2023 bieten die Salzburger Festspiele 179 Aufführungen an 15 Spielstätten sowie 34 Vorstellungen im Jugendprogramm an. 212.341 Karten werden aufgelegt, das Budget beträgt
67 Millionen Euro
Kartenpreise: Sie wurden nur im obersten Segment angehoben (die teuersten Karten für Opern kommen nun auf 465 Euro), 50 Prozent der Karten kosten zwischen 5 und 110 Euro
Erste Premieren: „Jedermann“ am 21. Juli, „Le nozze di Figaro“ am 27. Juli, „Nathan der Weise“ am 28. Juli, „Mac- beth“ am 29. Juli, „Liebe (Amour)“ am 30. Juli, „Falstaff“ am 12. August, „Die griechische Passion“ am 13. August