Kultur

Salzburg: Gegen Ideologie & dumme Quoten

In seinem Büro, das im vergangenen Jahr noch Jürgen Flimm gehörte, hängen Bilder der Komponisten Nono, Varese, Scelsi und Stockhausen - ein Statement für die Wichtigkeit des 20. Jahrhunderts und der Zeitgenossen.
"Das waren in den vergangenen Jahren meine künstlerischen Lebenspartner", sagt der Pianist Markus Hinterhäuser, der vom Musikdirektor der Salzburger Festspiele zum Intendanten aufgerückt ist. Um aber gleich zu betonen: "Ich kann nicht ideologisch denken. Ich denke auch nicht in dummen Quoten. Wenn ich Nono als meinen Lebenspartner bezeichne, dann schließt das anderes nicht aus." Es gebe so viele verschiedene Möglichkeiten, Musik und künstlerische Sprachen zu erfahren. "Jede Zelle des Körpers sagt Danke, wenn man das alles erleben darf."
Der neue Chef in Salzburg, der 2012 von Alexander Pereira abgelöst wird, im Antritts-Interview.

KURIER: Herr Hinterhäuser, als Intendant werden Sie nicht anders können, als auch an Society-Events teilzunehmen. Wie schwierig ist das für Sie als Künstler?
Markus Hinterhäuser: Das ist Teil des Unternehmens Salzburger Festspiele. Aber man muss nicht ein Übermaß an Energie in diese Veranstaltungen investieren, man kann sich ja auch zurückziehen und muss nicht Dauerpräsenz zeigen.

Als Intendant ist man gerade in Salzburg auch mit politischen Themen konfrontiert - beginnend beim Streit um den Eröffnungsredner.
Die Festspiele haben Jean Ziegler als Redner nicht eingeladen, also konnten wir ihn auch nicht ausladen. Ich bin froh, dass wir nun mit Joachim Gauck eine gute Lösung gefunden haben.

Zuletzt gab es bei den Festspielen drei Personen im Direktorium, dazu einen Musik- und einen Schauspielchef. Nun sind nur noch Präsidentin Helga Rabl-Stadler, Schauspielchef Thomas Oberender und Sie übrig geblieben. Wie ist das mit zwei Personen weniger bewältigbar?
Das funktioniert für ein Jahr, weil wir all unsere Kräfte dafür aufwenden. Aber ich habe immer betont, dass es wichtig wäre, dass der Schauspiel- und der Musikchef auch im Direktorium sitzen. Die darf man bei den großen Entscheidungen nicht ausschließen. Dazu ist es leider nicht gekommen.

Manche Ihrer Vorgänger, etwa Gérard Mortier, haben das Amt des Festspielchefs auch zu politischen und gesellschaftspolitischen Statements genützt. Wie halten Sie es damit?
Ich finde, dass man als denkender, mündiger Bürger immer die Verpflichtung hat sich zu äußern. Als Intendant der Salzburger Festspiele hat man natürlich eine größere Öffentlichkeit. Aber es geht immer um den richtigen Zeitpunkt und nicht um Selbstdarstellung.

Wie sehen Sie also zum jetzigen Zeitpunkt die kulturpolitische Lage in Österreich?
Das ist keine Frage der jetzigen Regierung, sondern des allgemeinen Klimas. Ich würde mir nicht nur wünschen, sondern verlangen, dass sich bei Politikern eine andere Haltung zu künstlerischen Fragen und zur Ermöglichung von Kunst manifestiert. Die Situation ist manchmal schon bedrückend. Ich sage gerade als Intendant der großen Salzburger Festspiele, dass es auch um mittlere und kleinere kulturelle Einheiten geht. Die bilden die Basis. Und wenn etwas einmal zerstört wird, ist es unwiderruflich verloren.
Kultur gehört nicht so zaghaft unterstützt. Es geht um die kulturelle Landschaft, die man erhalten muss.

Zuletzt kamen die Salzburger Festspiele durch einen Rechnungshof-Rohbericht in die Kritik. Ihr Kommentar?
Man kann einiges, das der Rechnungshof kritisiert, verbessern. Und es wurde auch schon vieles verbessert. Aber das Festspielgesetz muss unangetastet bleiben, das ist unsere Basis. Kulturbetriebe sind nicht immer mit denselben Parametern zu messen wie andere Unternehmen. Natürlich muss es strenge Kontrollen geben. Aber mich stören die Pawlow'schen Reflexe, die bei solchen Themen einsetzen, und die dümmlichen Klischees. Die Festspiele sind extrem profitabel.

Worauf freuen Sie sich heuer künstlerisch besonders?
Das klingt vielleicht vermessen, aber auf die ganzen Festspiele, auf jede Veranstaltung. Die letzten Wochen waren schon wunderbar, jetzt fängt es an zu kribbeln.

Was stammt planungsmäßig von Ihnen, was von Ihrem Vorgänger?
Jürgen Flimm hat noch die "Frau ohne Schatten" geplant, der Rest stammt von mir. Es ist eine große Freude zu sehen, wie die Dinge entstehen, von der ersten musikalischen Probe bis zur Premiere. So etwas in dieser Vielfalt gibt es nur hier.

Sie leben seit 30 Jahren in Salzburg. Fällt Ihnen der Abschied schwer?
Das hat schon alles seine Richtigkeit. Aber nach den Festspielen wird bestimmt Abschiedswehmut dazukommen. Ab Herbst geht es dann voll los mit der Planung für Wien.

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