Kultur

Ordentlich obsessiv: Leopold Museum zeigt das Werk von Rudolf Wacker

Was ist von einem Künstler zu halten, der als Manifest seines Schaffenswillens eine große Zeichnung seines erigierten Penis anfertigt – und diese dann auch noch druckgrafisch reproduzieren lässt?

Nein, so ganz sympathisch kommt Rudolf Wacker am Beginn der großen Werkschau im Leopold Museum nicht rüber. Sein durch die Lektüre von Nietzsche und Otto Weininger zementiertes Frauenbild, das zwischen „Kokotten- und Mutternaturen“ unterschied und nur Männern Kreativität zugestand, wird hier auch ein bisschen zu locker als „zeittypisch“ abgehakt. Ein ähnliches Manko hatte schon die Vorgängerschau zur „Neuen Sachlichkeit“, an die die Ausstellung inhaltlich anknüpft.

Nüchtern, lüstern

Dennoch ist es gut und richtig, den Vorarlberger, der zwischen Wien, Weimar und Bregenz ein völlig eigenständiges Werk schuf, nicht zu „canceln“, sondern groß vorzustellen: Sind Wackers Bilder doch gleichzeitig Zeugnisse eines widersprüchlichen Charakters und Echos einer bewegten Zeit, die von wirtschaftlichen Umbrüchen, politischer Polarisierung und Kriegstraumata geprägt war.

Anders als viele Künstler, die die Gesellschaft nach dem Ersten Weltkrieg im elektrischen Licht der Großstädte und mit dem brüchigen Glamour von Bars und Tanzlokalen darstellten, fing Wacker seine Welt in kleinen, intimen Szenarien ein. Zu sehen ist das schon in frühen Akt- und Porträtzeichnungen, mit denen die Schau anhebt, über das erwähnte „Dick Pic“ aus dem Jahr 1917, bis hin zu den Stillleben und Fensterausblicken späterer Jahre.

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Es ist nicht ganz daneben, Wackers Tun als permanentes Streben nach Kontrolle und Ordnung zu interpretieren – schließlich war die behütete Welt, in die er hineingeboren worden war, mit dem Ersten Weltkrieg zerborsten. Von 1915 bis 1920 befand sich der Künstler in russischer Kriegsgefangenschaft, hatte aber zumindest zeitweise die Möglichkeit, zu zeichnen. Erst spät, mit 30 Jahren, entdeckte er die Malerei für sich.

Gebändigte Begierden

Wackers Kriegserfahrungen, seine auf Männer wie Frauen gerichteten sexuellen Begierden, seine zwischen Fortschritt und Tradition changierenden Wertvorstellungen scheinen in den Bildern buchstäblich einen Rahmen zu bekommen, der aber gleich wieder zerspringt: Wie zwischen zwei Glasscheiben gepresst erscheinen die Stillleben und Selbstporträts der 1920er-Jahre, in denen Wacker eigene Bilder und Gegenstände immer wieder einbaut und zitiert.

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Wackers Wunderkammer

Es ist ein Reiz der Schau, dass sie nach und nach zu Wackers Motivrepertoire hinführt – teils mit originalen Gegenständen, die sich aus dem Atelier des Malers erhalten haben (eine Holztaube, Spielkarten, Krüge). Besondere Bedeutung haben die Kasperlfiguren und Puppen, die immer wieder vorkommen, oft als Platzhalter für den Maler und seine Frauen.

Ein Studium der Codes und Bedeutungen, die in den unglaublich dichten, in den 1930er-Jahren zunehmend altmeisterlich-akribisch gemalten Bildern verborgen sind, ist wohl Stoff für viele kunsthistorische Seminare.

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Spürbar ist im letzten Drittel der Ausstellung aber die immer größere Intensität, mit der Wacker seine Puppen malträtierte: Sie sind verdreht, zerborsten, nackt.

Sind es „verblümte Akte des Widerstandes“ gegen den Aufstieg der Nationalsozialisten, wie es der Katalog formuliert, oder doch (auch) verklausulierte Sex-Obsessionen? Und sind die versehrten Heiligenfiguren in anderen Stillleben wirklich als stille Kritik am katholischen Austrofaschismus zu lesen – mit dem sich Wacker, auf der Suche nach einer Professur, zugleich auch arrangierte? Es ist eine zutiefst österreichische Kunstgeschichte, die hier erzählt wird – mit vielen offenen Fragen.