Rudolf Ray: Ein moderner Erneuerer im Strudel des 20. Jahrhunderts
Von Michael Huber
Warum landet ein künstlerisches Werk im Kanon der Kunstgeschichte und ein anderes nicht? Natürlich lassen sich mit zeitlichem Abstand oft einige Gründe erkennen: Das Etablierte war oft origineller, das andere epigonal; nicht selten war das erfolgreiche Werk variantenreicher und tiefgründiger, während das andere auf halbem Weg halt machte. Oft aber waren jene, die übrig blieben, bloß schlechte Selbstvermarkter oder nicht zur rechten Zeit am rechten Ort.
Der Maler Rudolf Ray, in Lettland geboren und in Wien aufgewachsen, gehört wohl in letztere Kategorie. Dass sein Name Schulterzucken auslöst, verwundert: War der als Rudolf Rapaport geborene Künstler, der von Kokoschka hoch gelobt wurde und nach seiner Emigration 1938 in New York u.a. in Peggy Guggenheims Galerie „Art of this Century“ ausstellte, eine Weile ganz nah an jenen Kräften dran, die die Weichen für die Kunst nach 1945 stellten.
Die Werkschau, die die mit dem Nachlass betraute Wiener Galerie Suppan Fine Arts (1010, Seilerstätte 3) noch bis 14. Jänner zeigt, zerstreut auch Vorbehalte in Sachen Qualität: Verwandtschaften mit Paul Klee, Piet Mondrian, Miró, dem frühen Jackson Pollock oder dem späteren Cy Twombly fallen einem da ein, wobei sich der saure Geschmack des Nachahmertums nie einstellt: Besonders mit den Oberflächenqualitäten seiner Bilder, die Ray teils mit zahllosen Farbschichtungen, teils mit mechanischen Werkzeugen variierte, verfolgte der Künstler eine eigene Linie.
Der Austro-Pollock
Der geschmacksbildende Kritiker Clement Greenberg erwähnte Ray in seinem Aufsatz über die Krise des Staffeleibildes (1948) neben Jackson Pollock und Mark Tobey als Vertreter eines neuen Bildverständnisses. Doch während die Letztgenannten zu prägenden – und heute am Markt unbezahlbaren – Figuren aufstiegen, zog es Ray weg aus New York: Lange lebte er in Indien, später in Mexiko. Eine 1956 in der Wiener Secession geplante Ausstellung, mit eingefädelt vom Netzwerker und langjährigen Kulturstadtrat Viktor Matejka, platzte wegen des Ungarnaufstandes und wurde erst 1970 nachgeholt.
In manchem erinnert Rays Biografie an jene von Wolfgang Paalen, dem das Untere Belvedere derzeit eine große Schau ausrichtet (bis 19.1.). Auch das mumok, das einige Werke Rays besitzt, zeigt bis April eine Ausstellung, die die Klassische Moderne weniger durch hervorragende Heldentaten darstellt, sondern die Epoche als großen Fluss begreift. Es war nicht zuletzt der Strudel der Flucht und der daraus folgenden Rastlosigkeit, der Menschen wie Ray daran hinderte, in diesem ganz nach oben zu schwimmen.