Kultur

Retro-Held mit Riesen-Pratzen

Das Schöne an Disney-Filmen ist, dass sie immer auch eine Botschaft haben. Disneys neuester Animations-Hit „Ralph reicht’s“ hat ebenfalls eine. Sie lautet: „Bleib dir treu, aber versuche dabei, die beste Version deiner selbst zu sein.“, sagt Rich Moore, und er muss es wissen: Er ist nämlich der Regisseur.
Das klingt bedrohlich pädagogisch, ist es aber nicht. Moore hat in seiner Karriere schon genügend Humor bewiesen: Als einer der ersten Regisseure zahlreicher „Simpsons“-Episoden, zum Beispiel, oder als Macher der „Futurama“-Serie. Auch die Action-Komödie „Ralph reicht’s“ – Moores Regie-Debüt bei der Maus-Kompanie – ist mit einem Spaßspektrum ausgestattet, das vom Kinderzimmer bis zum Großraumbüro reicht: „Das war schon seit den Simpsons so“, sagt Moore beim KURIER-Interview entspannt: „Ich will, dass in meinem Film etwas für Kinder und etwas für Erwachsene dabei ist.“

Der Trailer zu "Ralph reicht's"

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Video-Spiele

Besonders diejenigen, die in den 80er-Jahren sehr viel Zeit ihres Lebens mit Video-Spielen verbrachten – wie übrigens Rich Moore selbst – werden ihre Freude haben. Denn Randale-Ralph in „Ralph reicht’s“ ist der Bösewicht eines fiktiven Games namens „Fix-it Felix“ – und das seit dreißig Jahren. Er bewegt sich mit eckigen Staccato-Bewegungen durch seine 8-Bit-Welt (siehe unten) und will endlich auch einmal der Gute sein. Zu diesem Zweck beginnt er in der Video-Arcade ein „Game-hopping“, sprich: er dringt in andere, moderne Spielewelten ein, um sich al positiver Held zu beweisen.
Doch gerade Ralphs altmodisches „Fix-it Felix“-Game aus den 80ern gibt Anlass zur Nostalgieschwelgerei: „Viele Leute kamen nach dem Film zu mir und meinten, sie könnten sich noch daran erinnern, wie sie selbst ,Fix-it Felix‘ gespielt haben“, berichtet
Moore aufgeräumt: „Dabei ist es ein erfundenes Spiel. Aber ich habe mich an Klassikern wie ,Donkey Kong‘ oder ,Rampage‘ orientiert: Spiele, in denen Typen mit Riesenhänden gegen kleinere Typen antreten.“
Im Übrigen wäre es gar nicht einfach gewesen, das hoch professionalisierte Zeichner-Team bei Disney dazu zu bringen, die simple 80er-Jahre-Ralph-Welt mit ihren abgehackten, 90-Grad-Bewegungen zu animieren: „Die Disney-Designer sind die besten der Welt. Es hat lange gedauert, bis bei ihnen eingesickert ist, dass sie absichtlich ,schlecht‘ und eingeschränkt animieren müssen, um die Ästhetik zu treffen“, erzählt der Regisseur.

Zuckerlwelt

"Ich bin ein digitaler Gummibär." Regisseur Rich Moore im KURIER-Interview.

 

Eine weitere große Herausforderungen wurde das Design des Videospiels „Sugar Rush“, in dem Ralph landet und wo er auf ein Girlie namens Vanellope stößt.
Sugar Rush“ ist ein Rennfahrer-Game – inspiriert von „Mario Kart“ –, das aber in einer knallbunten Zuckerlwelt stattfindet, in der kleine wilde Mädchen um die Wette rasen. „Sugar Rush“ besteht aus hüpfenden Keksen, Bonbons mit Beinen, Schleckern, Cup Cakes und Schokohügeln – „und man würde gar nicht glauben, wie schwierig es hinzukriegen ist, dass ein digitaler Gummibär aussieht wie ein echter“, stöhnt Moore über das Problem, Essen im Animationsfilm schmackhaft erscheinen zu lassen. Da war es auch nicht genug, dass die „Sugar Rush“-Designer bis nach Köln zur Zuckerl-Messe ausrückten und landauf, landab Süßigkeitengeschäfte und Scholodadenfabriken besuchten: „Essbare Dinge nehmen Licht auf und reflektieren es gleichzeitig. Dieser Prozess signalisiert unserem Gehirn, dass etwas essbar und lecker ist. Um dieses Problem im digitalen Bereich zu lösen, haben wir sogar neue Software entwickelt“, ist Rich Moore stolz.
Andere Einflussquellen wiederum waren völlig „Old School“: „Wir ließen uns von Disney-Klassikern wie ,Alice im Wunderland‘ oder ,Peter Pan‘ inspirieren. Und von dem spanischen Architekten Gaudí.“
Aber wie sagt Ralph – im Originalton übrigens von John C. Reilly, im Deutschen von Christian Ulmen gesprochen – doch einmal so schön?
„Wir sind retro. Das heißt, glaub’ ich, wir sind alt, aber cool.“

Alexandra Seibel

Aus einem erfolgreichen Videospiel einen annehmlichen Langfilm fürs Kino zu machen, ist nicht die leichteste Aufgabe. Hit-Games wie „Super Mario Bros.“, „Prince of Persia“ oder „Resident Evil“ wurden im Kino nicht gerade mit Ruhm überschüttet. Doch Rich Moores fetzig-freche Animations-Abenteuer-Komödie setzt nicht auf ein spezielles Video-Spiel. Stattdessen schöpft er aus den Fantasiewelten von klassischen Spielautomaten-Games bis hin zum Ego-Shooter.
Seine Hauptfigur Ralph ist noch völlig Held der alten Schule. Er hat riesige Pratzen und hämmert in abgehackten Bewegungen ein Haus nieder, das sein kleiner Kontrahent flink wieder aufbaut.

Krise

Nachdem Ralph in die Psycho-Krise gerät und endlich einmal etwas Gutes vollbringen will, schleust er sich zunächst in ein wahnwitziges Kriegsspiel ein, das mit allen Finessen des Action-Kinos ausgestattet ist. Alles nur, um dann in der knallbunten Zuckerwattenlandschaft eines Auto­rennspiels zu landen, in dem kleine Mädchen rasante Kurven nehmen. Moore schafft ganz unterschiedliche, detailverliebte und witzige Bilderwelten, die sich von Disney-Klassikern aus der Animationswelt genauso inspirieren ließen wie von „Saving Private Ryan“.
Besonders mit der Rennfahrerin Vanellope stellt er Ralph eine wortgewandte Partnerin zur Seite und vermeidet damit ein reines Bubenabenteuer. So gesehen geht Moores Konzept wunderbar auf: Spaß für die ganze Familie – damit sind auch die Mädchen gemeint.

KURIER-Wertung: **** von *****

Animation, USA 2012. 101 Min. Von Rich Moore. Mit den Stimmen von Christian Ulmen, Anna Fischer.

Alexandra Seibel

Wer sich in den 1980ern im Zimmer eingesperrt hat, um Computergames zu spielen, hat Kultur konsumiert.
Auch wenn es uns niemand glauben wollte.
Damals nahm mit den ersten Computerspielen für zu Hause etwas seinen Anfang, was inzwischen als „8-Bit“-Ära gilt. Der Name ist eigentlich ein technischer Hinweis auf eine Frühstufe der Computerarchitektur, steht aber mittlerweile für eine ganz eigene Game-Kultur.
Einer der Kult-Klassiker war „Donkey Kong“, bei dem man ein Gerüst hochklettern musste, um oben einen Riesenaffen zu besiegen. Klingt nicht komplex? Vergleichsweise war es das aber. Die ersten Heimcomputer waren nicht auch nur annähernd so schnell wie heutige Rechner, und sie hätten insgesamt gerade mal eine (!) typische eMail von heute speichern können. Trotzdem wurden für diese Computer Games entwickelt, die für stundenlangen Spielspaß sorgten. Das ist aus heutiger Sicht vergleichbar damit, einen ganzen Roman auf eine Briefmarke zu schreiben.

Originell

Diese Einschränkungen waren zugleich auch ein Vorteil – denn die Spieledesigner mussten mit fantastischer Originalität aus wenig viel machen. So gab es den „Hobbit“ ebenso als Spiel wie ganze simulierte Städte und Zivilisationen. Dass hier künstlerisches Schaffen entstand, hat mittlerweile auch die Kunstwelt entdeckt: Das Museum of Modern Art in New York hat jetzt begonnen, Computerspiele als exemplarisches Beispiel für herausragendes Design in die Sammlung aufzunehmen.
Inzwischen sind Games längst wesentlicher Teil der Popkultur geworden – und lassen Film oder Pop zumindest finanziell oftmals weit hinter sich. Alle (!) Hollywood-Filme zusammen erzielten in den US-Kinos zu Thanksgiving (Mittwoch bis Sonntag) 290 Millionen Dollar. Die neue Folge der Game-Serie „Call Of Duty“ hingegen nahm (weltweit) 500 Millionen ein – in
nur 24 Stunden.

Georg Leyrer