Kultur

Renate Bertlmann bei der Biennale: Im Garten der bewaffneten Blumen

Ein Vorurteil, das seit der Wahl Renate Bertlmanns als Biennale-Vertreterin Österreichs im Kopf Ihres Rezensenten (und vermutlich nicht nur dort) herumschwebte, lautet in etwa so: Ja, die Künstlerin hat ein tolles Werk vorzuweisen, hat das Venedig-Renommee verdient, aber kann sie auch „groß“ arbeiten? Immerhin besteht ihr Œuvre zu nicht unwesentlichen Teilen aus Fotografien, Collagen, Skizzen; gemeinhin assoziiert man den Parcours durch die Giardini, der ab Dienstag von Vertretern der globalen Kunstbranche gestürmt wurde und ab Samstag dem Publikum offensteht, aber eher mit monumentalen Setzungen, die sich in kurzer Zeit – es gibt ja so viel zu sehen – in die Gehirne bohren sollen.

Mit spitzer Klinge

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Nun, Bertlmanns Beitrag bohrt sich ein. Doch er tut dies auf geradezu antimonumentale, bilderstürmerische Weise. Der aus dem Jahr 1934 stammende österreichische Pavillon wirkt auf dieser Biennale extrem dünnwandig, wie ein Blatt Papier oder eine Leinwand, er ist nicht viel mehr als ein Paravent, der ein „davor“ von einem „dahinter“ abtrennt. Als solcher aber ist er sichtbarer als so manch monumentale Installation auf vergangenen Biennalen.

Weil sie den Pavillon als ihr Kunstwerk begriff, habe sie ihn signiert, sagt Bertlmann: Ihr Wahlspruch „amo ergo sum“ („Ich liebe, also bin ich“) ist in großen metallenen Lettern vor der Front des Pavillons postiert. Dort wirft er einen Schatten, wodurch die ganze Front zu einer Art Projektionsfläche wird. In der Mitte aber gibt das große Tor einen Blick auf die zentrale Arbeit frei, die im Garten hinter dem Pavillon steht: Es sind 312 gläserne Rosen, auf Metallstäben postiert und in Reih und Glied angeordnet; aus der Blüte wächst jeweils eine spitze Messerklinge hervor. So viel zum Thema Gartendekoration.

Für jene Besucherinnen und Besucher, die Bertlmann nicht kennen – und es werden viele sein – funktioniert die Installation sehr direkt und klar: Das Spannungsfeld zwischen Lieblichkeit und Aggressivität, zwischen traditionell weiblich konnotierter Dekoration und männlich-martialischer Symbolik – nicht zufällig vergleich die Künstlerin ihre Blumen mit Soldaten – führt an den Kern von Bertlmanns Arbeit. Waffen und Blüten, Spieße und Schmetterlinge Schmerz und Lust bewegen sich darin immer wieder in direkter Nachbarschaft.

Im überdachten Teil des Pavillons sind einige Werke der 70er- und 80er-Jahre exemplarisch affichiert, ein Verweis auf die „expliziten sexuellen Inhalte“ findet sich am Eingang. Zu sehen sind Objekte wie „Messerschnullerhand“ oder die „Wurfmesserbraut“ (1978), Performancefotos der imaginierten Vergewaltigung in der Serie „Renée ou René“ (1977) oder das Schachbrett mit Phallusmotiven aus 1980: Eine radikale Bildwelt, die durchaus verstört.

Wunsch und Skizze

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Bertlmann hatte sich oft mangels guter Ausstellungsmöglichkeiten mögliche Präsentationen skizziert: Diese „Wunschkojen“ sind ebenfalls an den Wänden zu sehen.

Doch ist der Pavillon gerade keine Realisierung einer lange gehegten Ausstellungsidee: Durch die vom Büro VlayStreeruwitz geplante, fast im Raum schwebende weiße Ausstellungsarchitektur – Bertlmann bezeichnet sie als eine „aufgeklappte Faltschachtel“ – wird gerade das Provisorische betont.

Dass an den Wänden keine „Originale“ zu sehen sind, soll daher auch ein Statement sein: Das Museale und Repräsentative ist in dieser Präsentation deaktiviert. So wie die Messerrosen im Garten und die Signatur an der Fassade immer neue Schatten werfen, darf sich auch die Kunst immer wieder neu einschreiben. Es ist eine Idee, die in Bertlmanns Pavillon – sofern die Sonne scheint – auch wirklich einleuchtet.

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Die Biennale 2019 - Weltkunstschau
Zum 58. Mal gibt die Biennale heuer einen Überblick über das globale Kunstgeschehen. Am Dienstag startete die Schau fürs Fachpublikum, offiziell läuft sie von 11. 5. bis 24. 11. Neben der vom US-Amerikaner Ralph Rugoff kuratierten Hauptausstellung gilt das Interesse nationalen Pavillons.

Erstmals weiblich
Renate Bertlmann wurde 2017 mit dem Großen Österreichischen Staatspreis ausgezeichnet. Ihr mit Kuratorin Felicitas Thun-Hohenstein erarbeiteter Beitrag ist die erste Einzelpräsentation einer Künstlerin im Österreich-Pavillon.