Kultur

Reichenau: "Ungeduld" die die Seele berührt

So, genau so, sieht ganz großes Schauspielertheater aus. So, genau so, lässt sich jede Diskussion darüber, ob man Romane auf die Bühne bringen sollte, im Keim ersticken.

Denn mit der Dramatisierung von Stefan Zweigs Roman "Ungeduld des Herzens" landen die Festspiele Reichenau zu ihrem 25-jährigen Jubiläum vielleicht den Überraschungshit ihres diesjährigen Programms. Bei dieser "Ungeduld" (so der neue Titel) stimmt eigentlich fast alles.

Das beginnt bei Stefan Slupetzkys herrlich kluger Dramatisierung, die perfekt das Flair des Romans zur Geltung bringt. Slupetzky hat brillante Dialoge verfasst, hat das Geschehen gut verknappt und auf das Wesentliche reduziert.

Kaninchen

So folgt man dem Treiben in einer kleinen ungarischen Garnisonsstadt knapp vor dem Ersten Weltkrieg. Man erlebt, wie der junge Leutnant Anton Hofmiller mehr und mehr in den Bann der reichen Familie Kekesfalva gerät, wie er (aus Mitleid mit der an den Rollstuhl gefesselten Tochter Edith) zum sprichwörtlichen Kaninchen vor der Schlange mutiert, das einen emotionalen Totentanz auslöst. Edith will nämlich mehr. Nicht Mitleid, sondern Liebe. Zu spät erkennt dies der Leutnant, zu spät will er sich Ediths Wünschen fügen. Diese begeht Selbstmord, der Erste Weltkrieg bricht aus, und der Leutnant wird zum mit Schuld beladenen Helden.

So will es Stefan Zweig, so zeigt es Regisseur Michael Gampe in seiner sehr schön gearbeiteten, konzisen Inszenierung; Peter Loidolt schuf im Theater den bereits Nestroy-erprobten Bühnenrahmen. Schön die Kostüme (Erika Navas) sowie die passenden Kompositionen von Kyrre Kvam.

Netz

Ein Ereignis aber sind die Schauspieler. An der Spitze Claudius von Stolzmann als Leutnant Hofmiller, der es allen recht machen will und sich dadurch in ein Netz aus Abhängigkeiten und Lügen manövriert. Stolzmann geht in dieser Rolle voll auf. Gleiches gilt für den grandiosen Marcello de Nardo als sich für seine Tochter aufopfernder Vater mit dubioser Vergangenheit. Sensationell. Als Edith hat Merle Wasmuth die dankbarste Rolle, die sie auch ideal ausfüllt. Der exzellente André Pohl als Arzt und ein von Rainer Frieb angeführtes Ensemble, machen Zweig zu einem theatralischen Ereignis.

KURIER-Wertung: ***** von *****