Kultur

Der Mann mit "der Stimme": Trauer um Radiomoderator Grissemann

Manche nannten ihn „Mister Ö3“, andere „Mister Song Contest“, für andere war er einfach der Mann mit „der Stimme“: Kaum eine andere Person hat sich mit dem Klang seiner Rede derart in das kollektive Gedächtnis Österreichs eingebrannt wie Ernst Grissemann.

Am Freitag ist der Moderator, Schauspieler und Sprecher, der nicht zuletzt auch mit seiner Tätigkeit als Radiomacher und Hörfunkintendant die heimische Radiolandschaft über Jahrzehnte hinweg geprägt hatte, nach kurzer schwerer Krankheit im Kreis seiner Familie in Wien verstorben. Das gaben  seine Söhne – der Moderator Christoph und der Kulturjournalist Stefan Grissemann – bekannt. Am 18. Februar hätte der Senior seinen 89. Geburtstag gefeiert.

Geboren wurde Ernst Grissemann  1934 im Tiroler Imst. 1954 war er erstmals im Radio zu hören. Von der „Sendergruppe West“ in der französischen Besatzungszone wurde er 1955 in den ORF übernommen. 1967 startete er in der legendären Rundfunkreform Gerd Bachers das Programm Ö3. Das Medium Radio blieb für viele Hörerinnen und Hörer über Jahre hinweg mit seiner prägnanten Stimme verbunden – doch dessen ungeachtet setzte Grissemann auch zahlreiche programmatische Impulse. Von 1979 bis 1990 wurde er mehrfach zum Hörfunk-Intendanten bestellt, dabei kümmerte er sich um eine Reform des Kulturprogramms Österreich 1.

Contest  mit Würde

Den Eurovision Song Contest – ein Ereignis, das er selbst gerade einmal belächelte – moderierte Grissemann von 1970 bis 1998, mit zwei Ausnahmen. Wenn ihm dabei ein Beitrag missfiel, machte er kein Geheimnis daraus – ohne dass er je untergriffig gewesen wäre.

Grissemanns Fähigkeit, „Würde dorthin zu bringen, wo keine Würde ist“, wie es Sohn Christoph einmal ausdrückte, konnte man immer wieder  beobachten. KURIER-Kolumnist Guido Tartarotti wurde etwa 2014 Zeuge, als Grissemann in eine Garderobe kam und sagte: „Fenster auf, ich schwitze wie eine Sau!“

„Weil es eben Ernst Grissemann ist, der diesen Satz sagt, klingt er, als wäre er von Shakespeare“, schrieb  der Kollege später darüber. Haltung bewahren, Geschichten erzählen, das Publikum in seinen Bann ziehen – das gelang Grissemann scheinbar mühelos.

Breit gefächert

25 Jahre, von 1983 bis 2007, begleitete er als Kommentator die Fernsehübertragung des Neujahrskonzerts. Von 1990 bis 1994 bekleidete Grissemann die Funktion des Tiroler ORF-Landesintendanten. Danach widmete sich der Radio-Veteran vor allem freischaffender Arbeit –  so moderierte er die Sendung „Sonntag bei Grissemann“ auf Radio Wien und präsentierte gemeinsam mit Andrea Kiesling das Format „Schöner leben“.

In verschiedenen Rollen stand er auf der Bühne, insbesondere den Raimund-Spielen in Gutenstein hielt Grissemann lange die Treue. Auch mehrere Publikationen tragen seine Handschrift, mit  Sohn Christoph veröffentlichte er etwa 2011 gemeinsam die Weihnachtsgeschichten-Sammlung „Klappe, Santa!“ und ging auf Lesetour.

Seine Stimme trainierte Grissemann, der auch als Sprechcoach aktiv war, bis ins hohe Alter. „Es ist wie im Sport, wenn man nicht trainiert, wird man nichts mehr reißen“, sagte er 2019. Dass am Ende alles dennoch locker schien, machte Grissemanns große Kunst aus.

Zahlreiche Persönlichkeiten aus der Politik, darunter Medienministerin Susanne Raab, Wiens Kulturstadträtin Veronica Kaup Hasler und Grünen-Mediensprecherin Eva Blimlinger, zollten Grissemann nach Bekanntwerden seines Ablebens ihren Respekt. Auch in seiner einstigen Wirkungsstätte, dem ORF, war die Trauer groß. Grissemann habe wesentlich zu dem beigetragen, „was den ORF heute auszeichnet“, erklärte Generaldirektor Roland Weißmann in einer Aussendung. ORF-Radiodirektorin Ingrid Thurnher ergänzte, dass der Verstorbene eine jener Persönlichkeiten war, "denen man stets mit einer Mischung aus Respekt und ehrlicher Bewunderung gegenübergetreten ist. Die ORF-Radiofamilie verliert einen der Größten und trauert.“