Kultur

Quälende Urlaubstage

Man will ja nicht schon wieder die Post-Apokalypse bemühen. Aber recht idyllisch wirkt sie nicht, die griechische Insellandschaft, von der hier die Rede ist. Sagen wir: Post-Grexit?

Es ist eine Gegend, in der man nicht einmal sterben will – die Friedhöfe sind verwaist, ebenso die Mühlen, mit denen einst Brot gebacken wurde. Ein kluger Mann hat trotzdem einen Weg gefunden, wie man aus diesem trostlosen Landstrich Geld herausholen kann und hier kommt nun die erste Geschichte in Dörte Lyssewskis Erzählband in Schwung: Es gibt hier so etwas wie Tourismus.

Wirklich beschaulich ist das Urlaubsleben aber auch nicht, weder in der ersten, noch in der zweiten, in Ich-form geschriebenen Story: Die Gäste wirken zwar "wie betäubt" von der Schönheit des angrenzenden Meeres, aber die "Absauganlage des Pools und das unentwegte eintönige Dröhnen der Klimaanlagen" übertönen alles. Eine dunkle Vorahnung für die Verbrechen, die hier demnächst stattfinden.

Die aus Niedersachsen stammende Schauspielerin Dörte Lyssewski ist seit mehr als zwei Jahrzehnten ein Star an Österreichs Bühnen: Sie war mehrfach bei den Salzburger Festspielen zu sehen, unter anderem als Buhlschaft im Jedermann – eine, wie man weiß, kleine, aber prestigeträchtige Rolle. Seit 2009 ist sie an der Burg und wird oft für ihre feinen, nuancierten Darstellungen von der Kritik gelobt. Nach ihrem Kollegen Joachim Meyerhoff ist sie nun der zweite Burg-Star, der sich dem Schreiben widmet. Mit Meyerhoffs humorvollen Familienerinnerungen sind Lyssewskis Kurzgeschichten nicht vergleichbar. Was sie allerdings gemeinsam haben: Man kann sich gut vorstellen, dass sie vom Autor selbst gelesen werden. Lyssewskis Timbre könnte gut zu ihren unheimlichen, detailliert beschriebenen Erzählungen passen, die oft ins Albtraumhafte abzugleiten scheinen. Geradezu nach griechischer Tragödie klingt etwa die faszinierende Story von der Schwester, die ihren Bruder liebt.

Ungeheuer

Atmosphärisch, aber mit dem richtigen Gespür für Timing, erzählt sie von vergeblich Liebenden, von Körpersäften, von Traumungeheuern und vom allgegenwärtigen Tod. Literarisch anspruchsvoll und richtig spannend. Lyssewski beherrscht den in der klassischen Novelle wichtigen Wendepunkt: Gerade, wenn genug beschrieben wurde, stürzt ein Baby auf den harten Beton. Ein Stück Fruchtfleisch, das dem Kind aus dem Mund gefallen ist, hält die Erzählerin für Hirn. Kurz schauert es einen beim Lesen.

Ein durch und durch gelungenes Debüt liefert Lyssewski hier ab. Ein Wermutstropfen ist das Lektorat: Etliche Wortwiederholungen und Tippfehler sind hier durchgegangen. Und ein doppelter Superlativ wie "bestgekleidest" tut, gerade angesichts der ansonsten so präzisen Wortwahl, besonders weh.

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Dörte Lyssewski: Der Vulkan oder Die Heilige Irene. Erzählungen. Matthes & Seitz. 20,50 Euro. 188 Seiten.