Kultur

"Platée": Eine Nymphe auf dem Catwalk der schillernden Eitelkeiten

So sieht ein echter Hit aus, so hört sich ein echter Hit an. So modern, heutig und gut kann Barockoper auch sein. Die Rede ist von Jean-Philippe Rameaus "Platée", einem "Ballet-bouffon" (in einem Prolog und drei Akten) aus 1745, das im Theater an der Wien zu einem Fest für alle Sinne mutiert. Ein barocker Rausch der Bilder und Töne, wie man ihn nur ganz selten auf der Bühne erlebt.

Worum geht es? Juno wähnt ihren Göttergatten Jupiter auf amourösen Abwegen. Dieses eine Mal aber zu Unrecht. Um Juno von ihrer Eifersucht zu kurieren (und als Freibrief für spätere, tatsächliche Liebschaften des Gottes) spielt man ihr einen Streich. Auf Kosten der hässlichen, plumpen, aber unfassbar eitlen Nixe Platée. Dieser wird vorgegaukelt, Jupiter habe sich ihn sie verliebt und wolle sie heiraten. Das Spiel wird auf die Spitze getrieben; am Ende bereut Juno ihre grundlose Eifersucht, und Platée wählt den Freitod.

Szenenbilder aus "Platée"

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Barocker Video-Clip

Bei Rameau, dessen 250. Todestag sich heuer jährt, wimmelt es nur so von Göttern, allegorischen Figuren und Ballett-Einlagen. Regisseur Robert Carsen holt all das ins Heute. Ein schicker Club, eine Wellness-Oase, ein In-Lokal und eine Fashion-Szene mit cool gestylten Leuten samt Handy am Ohr – die Welt als einziger Catwalk, als Laufsteg der Eitelkeiten. Grandios, wie bildgewaltig, wie klug und hinreißend komisch Carsen diese "Platée" zu einem barocken Video-Clip auffrisiert. Genial dabei die Ausstattung – allein für die unzähligen, visuell betörenden Kostüme sollte es Preise regnen – von Gideon Davey. Fabelhaft auch die perfekt in die Handlung integrierten Ballette in der tollen Modern-Dance-Choreografie von Nicolas Paul. Ein Bildersturm!

Rockiger Rameau

Und musikalisch ein Leckerbissen! Das liegt auch an Dirigent Paul Agnew, der im Vorfeld für den erkrankten William Christie eingesprungen war und das Originalklang-Ensemble Les Arts Florissants zu Höchstleistungen führt. So frisch, spritzig, präzise, aufregend und ja fast rockig klingt dieser Rameau, dass es kaum zu glauben ist.

Auch die Sänger sind – wie der exzellente, darstellerisch geforderte Arnold Schoenberg Chor – durchwegs eine Freude. An der Spitze: Tenor Marcel Beekman als Nymphe Platée. Beekman erweist sich als Erzkomödiant, spart tragische Untertöne nicht aus und ist stimmlich schlicht eine Sensation. Vollendet!

Aber auch der Bariton Edwin Crossley-Mercer als Karl-Lagerfeld-Jupiter, die Mezzosopranistin Emilie Renard als Coco-Chanel-Juno und Sopranistin Simone Kermes als personifizierter Wahnsinn im Lady-Gaga-Stil brillieren. Gleiches gilt für den Bariton Marc Mauillon, den Tenor Cyril Auvity oder die Sopranistin Emmanuelle de Negri. Ein frenetisch bejubeltes Gesamtkunstwerk.

Werk Rameau schrieb "Platée" 1745.

Inszenierung Heutig, witzig, werkgetreu.

Ausstattung Grandios. Sensationelle Kostüme.

Choreografie Brillant, oft zum Brüllen komisch.

Dirigat Spritzig, flott, präzise, rockig.

Gesang Marcel Beekman führt ein grandioses Ensemble am.

KURIER-Wertung: