Pauls Jets: Die Liebe zum Anderssein
Von Marco Weise
„Üben, üben, üben, üben“: So könnte die Überschrift eines Artikels über den zunehmenden Leistungsdruck im Klassenzimmer lauten. Jahrelang muss erfolgsorientiert gestrebert und effizient ausgebildet werden, damit der Wettlauf um den vermeintlichen Traumjob nicht verloren wird. Da aber nicht alle Gewinner, also erfolgreiche Manager und Influencer, sein können, muss sich der Rest eben mit möglichen Alternativen abfinden. Die heißen dann oft: Endlosschleife Praktikum, Zwischenstation AMS und Dauerzustand Prekariat.
Den passenden Soundtrack dazu liefern Pauls Jets, die mit Songs wie „Üben üben üben“ und „Ich komme in den Park“ den Alltag junger Menschen gut auf den Punkt bringen: Wer nicht übt, wird nichts …
Übersteuert
Pauls Jets sind ein Haufen junger Querdenker aus Wien, die kürzlich ihr Debütalbum „Alle Songs bisher“ auf dem heimischen Lotterlabel, das Stefan Redelsteiner (Entdecker und Förderer von Wanda und Nino aus Wien) gemeinsam mit Herwig Zamernik (Fuzzman) betreibt, veröffentlicht haben. Entdeckt hat Redelsteiner die Musik von Paul Buschnegg, Sänger, Gitarrist und Mastermind seiner Jets, bereits im Jahr 2016.
„Da war Paul noch keine 20 und er hat mir einen Soundcloud-Link mit total übersteuerten, exzentrischen Songs geschickt“, sagt Redelsteiner dem KURIER. In einer Phase, wo er ständig stromlinienförmige Bubenband-Demos bekommen habe, sei Pauls Musik sofort herausgestochen.
Songs schreibt der bereits als „Wunderkind“ hofierte Buschnegg schon seit längerer Zeit. Unter anderem für „Alterno Boy“, eine Wiener Indierock-Band, bei der er auch Gitarre gespielt hat. „Diesen Bandkontext musste ich aber verlassen, um mich vom konventionellen Sound zu lösen“, sagt Buschnegg im KURIER-Interview.
Danach habe er viel herumexperimentiert, sich Schritt für Schritt das Musikmachen selber beigebracht. Nach dem Motto „Trial-and-Error“ hat er selbst zu Hause Songs aufgenommen – teilweise mit dem billigen Computer-Mikrofon.
Die Band ist hauptsächlich aus Spaß entstanden. „Wenn der ausbleibt, werden auch die Songs schlecht“, ist Buschnegg überzeugt. Und so läuft in den 15 Songs auch ordentlich der Schmäh. Alleine der Titel „Alle Songs bisher“ ist als Witz zu verstehen. Denn es ist bloß ein Auszug, eine Art Best-of aus dem über die Jahre entstandenen Material.
Bussi und Baba!
Hört man die Platte zum ersten Mal, kommt einem sofort Ja, Panik in den Sinn. Das liegt vor allem an Buschneggs Gesang, der mit auffällig wienerisch-piefkinesischem Dialekt an Andreas Spechtl erinnert. Auch die Gitarren hat man irgendwo schon einmal bei Tocotronic gehört.
Pauls Jets sind aber keine Nachahmungstäter, sondern eigenständig unterwegs. Von gängigen Pop-Regeln wollen sie nichts wissen. „Wir wollen keine glatt produzierten Songs abliefern“, sagt Buschnegg. Dieses Vorhaben ist ihnen auch geglückt. „Alle Songs bisher“ ist ein Plädoyer fürs Anderssein, fürs Nicht-mehr-Mitmachen. Die Instrumente sind nicht gestimmt und man hört der Produktion eine gewisse Wurschtigkeit, einen Schlendrian an.
Trotz teilweise wegbrechender, hatschender und übersteuerter Sounds bestechen die Lieder mit einer enormen Eingängigkeit – rund die Hälfte der Songs auf der Platte sind Hits für das Alternative-Radio. „Wir haben keine Angst vor dem großen Refrain, vor der Eingängigkeit, vor großen Melodien. Das verbindet uns vielleicht mit Wanda. Aber ansonsten haben wir nichts mit ihnen gemeinsam“, betont Buschnegg und bezieht sich dabei auf die Texte, die bei Pauls Jets gerne in den Dadaismus abdriften. „Mir geht es darum, die Sprache runterzubrechen, ins Absurde zu ziehen“, sagt der 21-Jährige, der sich danach als Fan von Yung Hurn, Money Boy und RIN outet – drei Großmeister inhaltsloser Texte.
Bei Pauls Jets schauen die Häuser schief aus , sind die Villen verlassen, liegt der Wiener Gürtel an einem Sandstrand und dauern die Nächte ewig. Es geht aber auch ums Gehen – weg von faden Konzerten und zachen Situationen. Einfach Tschüss sagen und abhauen.
Bussi und Baba!
Pauls Jets: Die vom 21-jährigen Paul Buschnegg ins Leben gerufene Band wird zu Recht als eine der größten Indie-Nachwuchshoffnungen der österreichischen Musikszene gehandelt. Dem von Wien aus agierenden Trio gelingt mit ihrem Debüt „Alle Songs bisher“ ein beachtliches, gemütlich schunkelndes, herrlich neben der Spur stehendes Werk, mit dem sie das musikalische Erbe, das Andreas Spechtl und seine Band Ja, Panik hinterlassen haben, übernehmen und weiterführen. Popmusik, die kein Pop sein möchte: glanzlos, niemals aufgeblasen, lässig und bewusst Lo-Fi produziert.
Pauls Jets live:
27. April - Dornbirn, Spielboden
16. Mai - Graz, PPC, Paul solo
17. Mai - Linz, Stadtwerkstatt, Paul solo
23. Mai - Wien, WUK
25. Mai - Salzburg, ARGE, Paul solo