Kultur

Paul Auster und J. M. Coetzee: "Nörgeln macht Spaß"

Über den südafrikanischen Schriftsteller J.M.Coetzee weiß man nicht viel mehr, als dass er 2003 den Literaturnobelpreis erhielt. Der 74-Jährige ist, gelinde gesagt, öffentlichkeitsscheu. Umso erstaunlicher ist, was man nun in einem Briefwechsel über ihn und seinen Kollegen Paul Auster, 67, erfährt.

Der Band "Von hier nach da. Briefe 2008–2011" (Fischer, 286 S, 15,50 €) erzählt von der Freundschaft zwischen dem Südafrikaner und seinem New Yorker Kollegen und gewährt Einblicke in Künstlerseelen, die zeigen: Ein Nobelpreisträger ist auch nur ein Mensch.

Die beiden trafen einander 2008 in Australien und der Ältere schlug dem Jüngeren einen Briefwechsel vor. Drei Jahre unterhielten sie sich über den Lauf der Welt, über Freud, Erotik und über Baseball. Ein Teil dieser Korrespondenz besteht übrigens aus Briefen auf Papier – Coetzee liebt Briefmarken. Technik-Fanatiker sind beide nicht, Auster hat weder Handy noch Email.

Die Anrede ist meist "lieber Paul, lieber John", einmal nennt Auster Coetzee "Lieber Opapa".

Der Briefwechsel beginnt im Juli 2008 mit Gedanken über das Wesen der Freundschaft und wird erstaunlich schnell, mit Verweis auf Schriftstellerkollegen sämtlicher Epochen, sehr intim: Dabei kommt auch das beliebte Thema vieler Hobbypsychologen, ob denn Freundschaft zwischen Frauen und Männern möglich sei, zur Sprache. Auster sagt: Ja, aber wenn Sex dazu kommt, ist es vorbei mit der Freundschaft. Coetzee sieht das Ganze differenzierter, zitiert Nabokov und endet bei den Göttern.

Flucht vor Heston

Das Schöne daran: inmitten des klugen, veröffentlichungstauglichen Gedankenaustauschs sind auch die Alltagsbanalitäten nachzulesen. Nobelpreisträger-Gossip und Kollegen-Schelte. Tipps für Sandwichläden, Beschwerden über Schlafprobleme, Bronchitis und die Mikroben, die sie auslösen.

Dass Auster auf der Suche nach den Klo Charlton Heston traf und flüchtete. Dass man mit Don DeLillo und Philip Roth Mittag gegessen habe und dass alle mit gutem Appetit und ebensolchem Witz gesegnet gewesen seien.

Man spricht über Weltpolitik, die Palästinafrage und Südafrika. Auster über die Weltfinanzkrise: "Zahlen kommunizieren mit Zahlen". Auch Film ist ein wichtiges Thema: Auster hasst "Forrest Gump" ("ein schrecklicher Film") – er liebt den Hollywood-Klassiker "Die besten Jahre unsere Lebens", Bette Davis und den französischen Filmemacher François Ozon.

Und dann natürlich Sport: Auster mag Baseball und Fußball, Coetzee ist für Rugby und Cricket. Fußball? "Schamlosigkeit regiert!". Sport, schreibt er, sei "wie eine Sünde": "Man missbilligt es, doch man erliegt der Verlockung, weil das Fleisch schwach ist." (Dennoch sieht er sich stundenlang Kricket im Fernsehen an.)

Lästern über Roth

Man versichert einander, man habe den neuen Roman des anderen "verschlungen". Zu Kollegen ist man kritischer: Auster "wundert" sich über Jonathan Franzen, Coetzee meint über Philip Roths Roman "Exit Ghost", dieser sei ein "gewisses Sammelsurium". Austers ironische Bemerkung dazu: Roth sei Gott, er, Auster "bloß ein kleiner Sterblicher", der sich am liebsten um seinen kleinen Brooklyner Garten kümmere ...

Letztlich sei es doch so, findet Auster, nicht unkokett: "Nörgeln macht Spaß, und als rapide alternde Herrschaften (...) sind wir zum Nörgeln und Schimpfen verpflichtet (...) Sollen die Jungen über unsere Reden die Augen verdrehen."