Kultur

Schöner Untergang einer lasziven Lolita

Das Wichtigste vorweg: Es ist gut und richtig, dass Patricia Petibon nach einer Absenz von mehr als acht Jahren endlich wieder an der Wiener Staatsoper zu erleben ist. Denn die französische Sopranistin zählt zu den bedeutendsten Künstlerinnen ihrer Generation, ist vor allem eine hinreißende Gestalterin.

Das war auch bei Petibons Comeback als Jules Massenets "Manon" zu sehen. Petibon gibt diese zwischen echter Liebe und Sehnsucht nach Luxus schwankende Frau als laszive Lolita, die auch vokal eher zu mädchenhaften, dabei sehr schönen Tönen neigt. Petibons Sopran ist vielleicht nicht so üppig wie etwa jener von Rollenvorgängerin Anna Netrebko, besticht jedoch durch Klarheit und fein modellierte Lyrismen. Eine gelungene Wien-Rückkehr.

Eine Entdeckung

Nicht minder erfolgreich war das Hausdebüt von Jean-François Borras, der stimmlich einen sehr kultivierten, nachdenklichen und nuancierten Chevalier Des Grieux gestaltet. Borras verfügt über einen sehr schönen, warm timbrierten, flexiblen Tenor. Man versteht, warum der junge französische Künstler bereits auch an der New Yorker MET sehr gefragt ist.

Rund um Petibon und Borras agieren in Andrei Serbans kluger Inszenierung bewährte Kräfte. An der Spitze: Bariton Markus Eiche als in jeder Hinsicht profunder, auch darstellerisch überzeugender Lescaut. Dazu kommen Dan Paul Dumitrescu als erprobter Graf Des Grieux, Clemens Unterreiner als markanter Brétigny, Thomas Ebenstein und die guten Damen Hila Fahima, Stephanie Houtzeel sowie Juliette Mars.

Ihnen allen ist Dirigent Frédéric Chaslin ein verlässlicher, nicht übermäßig gestaltender Begleiter. Das sichere Orchester wird in den Reprisen (20. und 24. September) wohl noch zu mehr klanglichem Raffinement und auch zu mehr Dramatik finden. Freundlicher Applaus.

KURIER-Wertung: