Kultur/Oscar

45 Sekunden Redefreiheit: Typologie des Danks

No Business like Showbusiness - das gilt auch bei den Oscar-Verleihungen. In einer Branche, in der kaum etwas dem Zufall überlassen wird, sind die kurzen Dankesreden eine großartige Bühne für Selbstdarsteller. Die Acceptance Speeches eignen sich bestens, um vor einem Milliardenpublikum Botschaften loszuwerden.

Versuch einer Typologie:

Die Politischen

Seit der Dokumentarfilmer Michael Moore 2003 in seiner Rede lautstark mit der Bush-Regierung und dem Irak-Krieg abrechnete („Shame on you, Mr. Bush!“), wird die Gala zeitverzögert ausgestrahlt – sicher ist sicher. Politische Statements blieben trotzdem ein fixer Teil der Verleihungen: Leonardo DiCaprio warnte 2016 eindrucksvoll vor der Klimaerwärmung, Sean Penn forderte 2009 gleiche Rechte für Schwule und Lesben – kurz, nachdem Kalifornien gegen die Ehe homosexueller Paare gestimmt hatte.

Die Ungestümen

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Der 29-jährige Brody konnte sein Glück nicht fassen, als er 2003 zum besten Hauptdarsteller gekürt wurde – also schnappte er sich Laudatorin Halle Berry. „Ich wette, sie haben dir nicht gesagt, dass das im Geschenkkorb ist“, scherzte er nach dem stürmischen Kuss. Unvergessen auch Roberto Benignis ausgelassene Kletterei über die Sitzreihen im Jahr 1999. Cuba Gooding Jr. ließ sich 1996 vom Orchester nicht vertreiben und schrie noch euphorischer ins Mikro – Standing Ovations.

Die Peinlichen

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Sein Film ging in die Geschichte ein, seine Rede auch – aber nicht im Positiven. „Titanic“-Regisseur James Cameron beendete seine Acceptance Speech 1998 selbstverliebt mit dem Film-Zitat „I am the King of the World!“ und riss dazu beide Arme in die Höhe. Ein Imageschaden war die Folge. Tom Hanks meinte es gut, als er sich nach der Auszeichnung für seine Rolle im AIDS-Drama „Philadelphia“ bei seinem schwulen High-School-Lehrer bedankte. Einziges Problem: Dieser hatte sich bis dato nicht in der Öffentlichkeit geoutet.

Die Skandalösen

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Vor ihrer Wandlung zur Vorzeigemutter liebte Jolie die Provokation. Als sie sich 2000 ihre Trophäe für „Durchgeknallt“ abholte, sagte sie: „Ich bin gerade total in meinen Bruder verliebt. Er hat mich vorhin umarmt und mir gesagt, wie sehr er mich liebt.“ Zuvor hatten sich die Geschwister auf dem roten Teppich geküsst. Marlon Brando schockierte 1973, indem er die Verleihung boykottierte und stattdessen die Aktivistin Sacheen Littlefeather in Apachenkleidung entsandte.

Die Gerührten

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Für ihre Darstellung in „Shakespeare in Love“ holte sich Gwyneth Paltrow 1999 den Oscar als beste Hauptdarstellerin ab. Die Rede wurde legendär. Paltrow schluchzte vom Anfang bis zum Ende und bedankte sich bei jedem einzelnen Familienmitglied, inklusive ihrem verstorbenen Opa Buster. Auch Halle Berry (2002) und Lupita Nyong’o (2014) konnten ihre Tränen nicht zurückhalten. Berry, erste schwarze Oscar-Gewinnerin, widmete ihren Award „allen namenlosen, gesichtslosen farbigen Frauen“.