Kultur/Oscar

Die Oscars im Zeichen des Stummfilms

Privat sind sie eng befreundet, doch in der Oscar-Nacht stehen sie einander heuer als Konkurrenten gegenüber: George Clooney und Brad Pitt, Hollywoods schöne Vorzeige-Männer, sind erstmals gemeinsam für einen Oscar nominiert – und zwar in der begehrten Hauptkategorie Bester Schauspieler. Während Clooney mit seiner Rolle als angeschlagener Familienvater in Alexander Paynes Tragikomödie „The Descendants“ antritt, geht Brad Pitt als Baseball-Trainer für den von ihm auch selbst produzierten Film „Moneyball“ an den Start.

Einer wird gewinnen – und wenn sie Pech haben, keiner von beiden, sondern womöglich ein bisher unbekannter Neuling aus Frankreich: Als großer Favorit der heurigen Oscar-Verleihung wird Jean Dujardin gehandelt, jener Mann, der mit beredter Miene in dem weltweit gehypten Stummfilm „The Artist“ praktisch über Nacht zum internationalen Star mutierte.

Favorit

„The Artist“ zählt zu den großen Überraschungs-Hits des letzten Kinojahres: Gleich zehn Mal wurde die in Schwarz-Weiß gedrehte, französische Hommage an den amerikanischen Stummfilm, der dem Tonfilm weichen muss, für den Oscar nominiert.

Ginge es nach dem Willen einiger besonders verbissener „Artist“-Fans, dann hätte es noch eine weitere Oscarnominierung geben müssen: für Dujardins bellenden Partner, einem spielwütigen kleinen Terrier namens Uggie. Uggie brachte es naturgemäß auf keine Oscar-Liste – ein Schicksal, das er mit Kollegen Lassie teilt. Oscar-Nominierungen sind nur Zweibeinern vorbehalten – und da nützt auch die von seinen Anhängern gegründete Fan-Plattform nichts.

Aber Uggie hin oder her, der französische Regisseur Michel Hazanavicius wurde an Oscarnominierungen für seinen „Artist“ nur von US-Kollege Martin Scrosese getoppt. Dieser erhielt für „Hugo Cabret“, seinem ersten Kinderfilm in 3-D, gleich satte elf Nominierungen.

Was Scorsese mit seinem französischen Nebenbuhler verbindet, ist die Hinwendung zu den Anfängen des Kinos: Mit „Hugo Cabret“ erzählt er die Geschichte eines Buben, der im Paris der 30er-Jahre den damals bereits vergessenen Stummfilm-Pionier Georges Méliès wieder entdeckt.

Ursprung

Mit gewaltigen 21 Oscarnominierungen belohnte damit die Academy zwei Filme, die sich der eigenen Mediengeschichte widmen: Sowohl „The Artist“ wie auch „Hugo Cabret“ verströmen liebreich Nostalgie für die Ursprünge des Kinos.

Woher diese geballte Ladung an Rückbesinnung auf die eigenen Wurzeln plötzlich kommt, darüber lässt sich nur spekulieren. Wahrscheinlich hat es viel mit den Umbrüchen zu tun, die sich in der Kinokultur weltweit vollziehen: So werden etwa mittlerweile über fünfzig Prozent aller Filme digital gedreht und verändern das Medium Kino. Da kann zwischen Fortschrittseuphorie und 3-D-Technologie-Begeisterung schon auch mal Wehmut nach der eigenen Vergangenheit aufkommen.

Wie Relikte aus eben jener Vergangenheit nehmen sich da zwei alte Herren aus, die als beste Nebendarsteller nominiert wurden. Sowohl der famose Max von Sydow für „Extrem laut und unglaublich nah“, wie auch der feine Christopher Plummer für „Beginners“ – beide 82-jährig – haben gute Chancen, heuer zum ältesten Gewinner eines Academy Awards zu werden.

Eisern

Bei den Damen zählt ebenfalls eine Schauspielerin zu den Favoriten, die Kinogeschichte schrieb: Meryl Streep als Margaret Thatcher in „Die Eiserne Lady“ könnte Viola Davis von „The Help“ oder Michelle Williams in „Meine Woche mit Marilyn“ als beste Schauspielerin ausstechen.

Und selbst Billy Crystals Comeback als Moderator der Oscar-Zeremonie nimmt sich wie ein Akt der Nostalgie aus. Nachdem Eddy Murphy ausgefallen war, griffen die Veranstalter wieder auf ihn zurück – einen altbewährten Haudegen Hollywoods.

Oscar für alle

TV Den Auftakt bestreitet Elisabeth Sereda mit „OSCAR-Nacht 2012“ (19.30, ORFeins ). U. a. mit Exklusivinterviews mit den Stars George Clooney, Michelle Williams, Octavia Spencer und Martin Scorsese. Es folgen Danny Boyles Meisterwerk „Slumdog Millionär“ (20.15) sowie „Michael Clayton“ (22.15). Verleihung: ab 1.35.

ATV zeigt den sechsfachen Oscar-Gewinner von 2010 „Tödliches Kommando – The Hurt Locker“ als Free-TV-Premiere. Kathrin Bigelow erhielt dafür als erste Frau einen Regie-Oscar.

ProSieben zeigt u. a. „No Country for Old Man“ (22.45) sowie Oscar-News in „Red“ (1.05).

3SAT bringt die Doku „Steaks für die Stars“ über Oscar-Koch Wolfgang Puck (19.10).

 

Kino Die Oscar-Nacht im Gartenbau-Kino startet um 12.30 mit „Tree of Life“ sowie „Drive“, „Moneyball“. „The Iron Lady“ und „My Week With Marilyn“. Das Burg-Kino zeigt u. a. „The Artist“, „Moneyball“ und „J. Edgar“ .

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