Kultur

Offene Fragen rund um das Burgtheater

Das Ensemble des Burgtheaters hat sich am Dienstag gegen die Entlassung der Vizedirektorin und Ex-Geschäftsführerin gestellt und in einer Ensembleversammlung betont: „Die Solidarität des Ensembles gilt Silvia Stantejsky.“ Stantejsky war im Dezember wegen Bilanz-Ungereimtheiten entlassen worden. Rund um die Hintergründe herrscht allgemeines Stillschweigen: Auf „Wunsch Stantejskys“ (für die die Unschuldsvermutung gilt) wollten sich weder Belegschaft noch Direktion zu den offenen Fragen äußern.

Davon gibt es viele.

Warum jetzt?

Es ist der denkbar ungünstigste Zeitpunkt für Aufregung: In den Budgetverhandlungen der neuen Regierung wird die Zukunft der Bundestheater (mit-)bestimmt. Da kommt eine Diskussion über mögliche Malversationen nicht gelegen. Burg-Chef Matthias Hartmann hat betont, wegen seiner gesetzlichen Pflichten handeln zu müssen. Das führt zur nächsten Frage:

Warum erst jetzt?

Bereits im März hatte der Chef der Bundestheater-Holding, Georg Springer, auf Budget- und Buchungsproblematiken im Burgtheater hingewiesen – und im selben Aufwasch bekannt gegeben, dass Stantejsky mit Mai 2013 nach 30-jähriger Tätigkeit am Burgtheater dessen Vizedirektorin werden sollte. Darüber hinaus verweist das Ensemble laut Presse darauf, dass der zweite Geschäftsführer (also Hartmann selbst), der Aufsichtsrat und die Wirtschaftsprüfer nichts an den Jahresabschlüssen unter Stantejsky auszusetzen hatten. Auch die Holding, die organisatorisch über dem Burgtheater steht, hat bisher alles abgenickt. Springer selbst hat erklärt, einen bestimmten, später für unzulässig erklärten Aspekt des Burgtheaterbudgets explizit genehmigt zu haben. Und zwar folgenden:

Was genau sind die Vorwürfe?

Das ist nicht ganz klar. Hartmann hält sich bedeckt, die Bilanzen sollen nun überprüft werden. Sicher ist: Das Burgtheater hat früher Produktionen zu lange in der Bilanz behalten, obwohl diese schon vom Spielplan verschwunden waren. Das lässt die Bilanzen wegen der Kostenverteilung besser aussehen, als sie sind, und war mit der Holding laut Springer akkordiert. Ein neuer Wirtschaftsprüfer hat dies aber für unzulässig erklärt. Dass das der Entlassungsgrund sein soll, ist aber – siehe vorige Frage – unwahrscheinlich, weil lange vor Dezember bekannt gewesen. Was genau die Rechnungsprüfer jetzt entdeckt haben sollen, wurde nicht bekannt gegeben.

Was ist der Schaden?

Laut Hartmann gibt es keinen finanziellen Schaden. Springer: „Das kann man jetzt noch nicht sagen.“

Was passiert jetzt?

Externe Prüfer sollen nun die „nicht zuordenbaren Buchungsvorgänge“ unter die Lupe nehmen. Ob es weitere Konsequenzen geben soll – und wer diese ziehen könnte –, ist unklar. Ebenso, welche Auswirkungen eine etwaig auftretende Finanzlücken in der Burg für die gesamte Holding haben könnte.

Wo ist des Pudels Kern?

Die Ungereimtheiten werden mit der schwierigen Finanz-Lage der Bundestheater in Verbindung gebracht. Die Burg erhält zwar erkleckliche 46,4 Millionen Euro Subvention. Doch steigende Personalkosten lassen immer weniger Geld für Kunst.

In der Causa Burgtheater folgen weitere Solidaritätsbekundungen mit der entlassenen Vizedirektorin, Silvia Stantejsky, sowie ein parlamentarisches Nachspiel: Während Schauspieler wie Gert Voss sich eine Rückkehr Stantejskys wünschen, haben die Grünen eine parlamentarische Anfrage eingebracht und kritisieren die Burg- und Bundestheater-Leiter Matthias Hartmann und Georg Springer.

"Anstatt die Verantwortung bei sich selbst zu suchen, erklären die beiden Herren eine langjährige loyale Mitarbeiterin zum Sündenbock, sprechen die Entlassung aus, ohne im Detail zu erläutern, worin die Vorwürfe eigentlich bestehen, und waschen ihre Hände in Unschuld", so der Grüne Kultursprecher Wolfgang Zinggl in einer Aussendung. Umso wichtiger sei es daher, die Bundestheater wieder der parlamentarischen Kontrolle zu unterstellen. Im aktuellen Fall haben die Grünen eine Anfrage eingebracht - in den vergangenen Jahren habe man aber wegen der Ausgliederung keine Antworten erhalten.

Solidaritätsbekundung von Gert Voss

Zu den Solidaritätsbekundungen des Burgtheater-Ensembles kamen heute Statements von prominenten Schauspielern gegenüber News. So bekundet Gert Voss, Stantejsky sei "eine der wichtigsten Personen" in "all meinen Wiener Jahren" gewesen. "Was ihr jetzt vorgeworfen wird, glaube ich nicht: Sie hat in all der Zeit nie an sich gedacht, immer an das Theater." Ihre Kündigung sei "ein entsetzlicher Verlust", man solle Stantejsky "möglichst rasch zurückholen". Für Peter Simonischek war die Vizedirektorin "die Seele des Hauses". Statt künstlerische Höhenflüge zu bremsen, wie es kaufmännische Direktoren oft täten, habe sie "immer versucht, alles zu ermöglichen. Und das mit definitiv immer weniger Geld."

Die Vorwürfe, die zu der im Dezember ausgesprochenen Entlassung geführt haben, beziehen sich auf Unregelmäßigkeiten, die eine Gebarungsprüfung der vergangenen Spielzeit, für die Stantejsky als kaufmännische Geschäftsführerin zuständig war, zutage gebracht habe. Dem Haus sei daraus kein finanzieller Schaden erwachsen, doch Buchungsvorgänge seien derart aufklärungsbedürftig, dass sofortige dienstrechtliche Konsequenzen notwendig gewesen seien, hieß es seitens der Direktion.

Gegenüber News bekräftigte Burg-Direktor Hartmann nun: "Natürlich ist es die Pflicht der Holding und auch meine, lückenlose Aufklärung zu fordern, wenn sich unsere Geschäftsvorgänge nicht transparent darstellen lassen." Allerdings sei "Silvi Stantejsky eine Freundin, welcher man uneingeschränkt glauben möchte".

(APA)