Kultur

Nilbar Güreş: Die Suche nach verborgenen Spielräumen

„Ayşe liebt Fatma“, steht auf Türkisch in großen, rosa Lettern an eine Hauswand gesprüht. Davor sind in Rückenansicht zwei nicht mehr ganz junge Frauen zu sehen, eine trägt Kopftuch. Die beiden umarmen einander.

Es ist eine jener Inszenierungen, wie sie für Nilbar Güreş typisch sind. Die Künstlerin, die mit dem Otto Mauer Preis (2014) und dem BC21 Art Award (2015) bereits zwei der wichtigsten heimischen Kunstpreise einheimsen konnte, rüttelt zwar an allerlei Tabus, doch sie tut es auf eine leise, poetische Art.

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Viele von Güreş’ fotografischen Inszenierungen, die in der Werkschau im Linzer Lentos (bis 10.9.) bloß als eine Facette eines vielgestaltigen Werks sichtbar werden, können auf den ersten Blick als schlichte Alltagsszenen durchgehen: Eine Imkerin kümmert sich da um ihre Bienen, vor einer Holzhütte hängt bunte Wäsche – und dahinter küssen sich zwei.

Die Künstlerin, die in Istanbul geboren wurde, in Wien studierte und heute in beiden Städten lebt, hatte sich einst für eine Video-Performance (2006) selbst aus einem Wust von Kopftüchern geschält. Doch sie ist nicht dazu angetreten, anderen in einer vordergründigen Befreiungsgeste das Tuch herunterzureißen: Aus ihren Werken spricht viel eher ein Interesse für die Grenze zwischen dem Sichtbaren und dem Verborgenen, die von Objekten wie (Kopf-)Tüchern gezogen wird, und Respekt für das Leben „dahinter“.

Würde und Widerstand

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Die Personen, die in Güreş’ Bildern auftreten, strahlen allesamt Würde und Stärke aus – das gilt für die alte Frau, die sich in einem rot getünchten Raum mit einer riesigen Wasserpistole hinter dem Kasten versteckt, ebenso wie für die transsexuelle Prostituierte, die vor der Skyline São Paulos mit einem Kaktus zwischen den Beinen posiert. Das Interesse an der Handlungsmacht von Personen, die von dominanten Kräften in der Gesellschaft unsichtbar gemacht oder als unsichtbar behandelt werden, erscheint als verbindendes Element .

Die Werkserien überschreiten sowohl geografische Grenzen als auch solche zwischen Kunstgattungen: Die gemusterten Stoffe, die in Güreş’ Fotografien bereits eine wichtige Rolle spielen, entwickeln in Collagen und Rauminstallationen ein Eigenleben – Gürtelschnallen werden zu Mäulern einer zweiköpfigen Schlange, die „queeres Begehren“ symbolisieren soll, das Handwerkszeug des Nähens und Stickens wird zur Waffe.

„Selbstentjungferung“ heißt das vielleicht radikalste einer Reihe von Stickbildern, die ihre expliziten Motive in bastlerischer Einfachheit darstellen. Für die Installation „Hairy Fire“ („Haariges Feuer“) – eine Art Feuerstelle in einer Raumecke, mit Wollknäueln statt Kohlen – wurde dazu die Wand leicht angesengt, man kann den Eingriff noch riechen: Die Person, die zu Hause das Herdfeuer hütet, hat auch die Macht, die Hütte anzuzünden.

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