NFT-Kunst zwischen Millionendeals, Merchandising und Museumssälen
Von Michael Huber
Ein paar Nachrichten aus der Welt der Digitalkunst: Sotheby's setzte am Donnerstag mit einem "CryptoPunk" - einem digitalen Pixelgesicht, das mithilfe der NFT-Blockchain-Technologie als Unikat festgeschrieben war, 11,7 Millionen US-Dollar um. Fast zeitgleich gab eine Kirchengemeinde in Bologna bekannt, dass sie Kunstwerke der eigenen Sammlung digitalisiert und ebenfalls als NFT verkauft - quasi als digitaler Klingelbeutel, um das künstlerische Erbe der Kirche zu bewahren. So lässt sich zum Beispiel der digitale Token einer Maria vor dem Kreuze Jesu Christi unter dem Titel „Schatten und Licht“ für derzeit etwa 54 US-Dollar erstehen.
Wenn sich daraus etwas ablesen lässt, dann der Umstand, dass die Welt der digitalen Echtheitszertifikate keine Sache eingeschworener Techno-Freaks mehr ist: Vor allem dank der Meldungen hoher Auktionspreise für digitale Bilder, die theoretisch endlos kopierbar sind, an ein NFT gekoppelt aber einen festen Wert erhalten, springen Akteure aus verschiedenen Sphären auf den Trend auf. Und es sind nicht nur Finanzjongleure.
Viele Anwendungsmöglichkeiten
Die Nachlass-Foundation von Andy Warhol hatte etwa Ende Mai bei Christie's fünf Bilder, die der Pop-Künstler in den 1980ern am Computer generiert hatte, um 3,38 Millionen US-Dollar versteigert. Die Uffizien in Florenz fertigten eine digitale Reproduktion von Michelangelos berühmtem Bild der Heiligen Familie an und verkauften es um rund 140.000 Euro, um die Museumskasse aufzubessern. Zahlreiche Kunstschaffende weltweit koppeln ihre Werke selbst an NFTs und versuchen so, ihre Kunst zu verkaufen.
Wenn so viel von Geld die Rede ist, verstellt dies aber oft den Blick auf die unterliegenden Mechanismen der Produktion und Präsentation von Kunst. Und diese haben tatsächlich revolutionäres Potenzial, befindet Alfred Weidinger, Direktor der Oberösterreichischen Landesmuseen, im KURIER-Gespräch: "Ich kenne keinen Künstler und keine Künstlerin, die sich nicht damit auseinandersetzt", sagt er.
Bereits in seiner Zeit als Chef des Museums der bildenden Künste Leipzig hatte Weidinger digitalen Entwicklungen ein Podium gegeben, und auch jetzt reagierte er schnell: Unter dem Titel "Proof Of Art" ist dem NFT-Phänomen bis zum 15. September eine Ausstellung gewidmet, die sich dem Phänomen reflektierend widmen soll. Sie findet nicht nur in den Räumen des Museums Francisco Carolinum in Linz statt, sondern auch in der digitalen Präsenz der Institution auf der Plattform Cyptovoxels.
Dabei ist zu sehen, dass die Idee der NFTs, die vor allem durch den Rekordpreis von fast 70 Millionen US-Dollar in der Öffentlichkeit explodierte, schon viel länger kursiert als gemeinhin bekannt. Technisch möglich ist der Prozess seit 2014; 2015 kaufte das Wiener MAK - als erstes Museum überhaupt - ein digitales Unikat an und diskutierte die Implikationen für die Kunstwelt.
NFTs versprechen Demokratisierung und fordern auch Selbstverständlichkeiten heraus: "Die NFT-Technologie ermöglicht - in manchen Augen endlich - den Ausbruch aus früheren Beschränkungen, die sich wie folgt formulieren lassen: Aura kann sich im Virtuellen nicht bilden, Kostbarkeit ist im Kostenlosen nicht möglich", schreibt der Autor Fabian Müller im Katalog zur Linzer Schau.
"Vom gemalten Unikat eines Michelangelos ein digitales Unikat zu produzieren, in einer Edition von 10 Stück, die mit der Unterschrift des Museumsdirektors auf einem analogen Echtheitszertifikat geliefert werden, ist absurd", erklärt Weidinger mit einem Seitenhieb auf die Aktion der Uffizien. "NFTs sind keine Erweiterung des Merchandising, die ein Museum nutzen sollte." Die digitalen Reproduktionen werfen zudem eine Reihe von Fragen auf (gehört dem Eigentümer des digitalen Unikats vielleicht doch auch ein Stück des analogen Unikats? Darf er es sich dann ausborgen?) Das Linzer Museum arbeitet hier mit der Wiener Anwaltskanzlei Schönherr zusammen, dessen Partner Guido Kucsko, Anwalt und Konzeptkünstler in Personalunion, einen eigenen Blog zum Thema eingerichtet hat.
Welchen Kurs die Technologie künftig nehmen wird, ist aber in einer Situation, in der sich alles rasant im Fluss befindet, weiterhin schwer zu definieren. "Wir als Museum sehen uns als Serviceinstitution für KünstlerInnen", sagt Landesmuseums-Chef Weidinger. "Es ist eine Art Selbstversuch - wir versuchen Prozesse zu verstehen und das Erlebte als Beratungsleistung weiterzugeben."