Kultur

Mit Chic, Charme und Champagner

Der große Knall kam bei der ersten Zugabe. Zum Finale der "Explosions-Polka" von Johann Strauß Sohn regnete es Unmengen von Konfetti im Wiener Musikverein. Frei nach dem Motto: Das neue Jahr kann nicht nur kommen, es ist jetzt endgültig da.

So soll es ja auch sein beim traditionellen Neujahrskonzert der Wiener Philharmoniker, das heuer zum bereits fünften Mal von Zubin Mehta geleitet wurde, das wieder Millionen Menschen in aller Welt (und dem Publikum im Goldenen Saal) vor allem eine Botschaft vermittelte: Musik ist Freude, Leben, Gefühl, Glück, Emotion und Liebe.

Freude, weil Mehta in einem fast nur der Strauß-Dynastie gewidmeten Konzert diesen Aspekt betonte. Mehta ist kein dirigierender Technokrat. Er ist ein Vollblutmusiker und sucht in den diversen Walzern, Polkas und Märschen nichts, was in der Musik nicht drinnen ist. Und auf diese Weise findet er alles.

Pralles Leben

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Herrlich etwa zum Auftakt Franz von Suppés höchst lebendige Ouvertüre "Ein Morgen, ein Mittag, ein Abend in Wien", wo für etwaige Raunzer kein Platz war. Das "Märchen aus dem Orient" von Johann Strauß Sohn verströmte danach feinste Walzerklänge. Stilvoll und höchst elegant modelliert auch die Polka française "Wiener Leben" von Josef Strauß, während die beiden Polkas schnell "Wo man lacht und lebt" von Eduard Strauß und "Vom Donaustrande" (Johann Strauß Sohn) pralles Leben suggerierten. Der Walzer "Dorfschwalben aus Österreich" von Strauß Sohn wiederum war ein fröhlich-zwitscherndes (Natur-)Gefühl pur.

Bilder vom Neujahrskonzert 2015

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Technischer, aber ebenso mit Esprit und Witz der zweite Teil, in dem zwei Jubiläen (650 Jahre Universität Wien, 200 Jahre Technische Universität) im Zentrum standen. So beschworen die "Electro-magnetische Polka" (Strauß Sohn) und die wirklich unter Volldampf stehende Polka "Mit Dampf" den technischen Fortschritt; die "Studenten-Polka" (Strauß Sohn) und der "Freiheits-Marsch" (Strauß Vater) waren in traumhaft-philharmonischen Klängen der Bildung gewidmet.

Pure Größe

Gewohnte Lacher garantierte das fast jazzig ausgeformte, als "musikalischer Scherz" titulierte "Perpetuum mobile" (Strauß Sohn), wo eine weitere Qualität Mehtas wieder zum Tragen kam. Der gebürtige Inder, der in Wien Musik studierte, lässt die Musiker einfach spielen, nimmt das vom Orchester Angebotene dankbar an, greift aber dort ein, wo es notwendig ist. Eine Tugend, die nur den großen Dirigenten vorbehalten ist. Ähnliches galt für den zart empfundenen "Accelerationen"-Walzer (Strauß Sohn) oder für dessen letzten Walzer "An der Elbe", bei dem Mehta und die Philharmoniker verhaltene, auch nachdenkliche Töne anschlugen.

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Gefeiert durfte dennoch werden. Etwa bei Hans Christian Lumbyes – er gilt vielen als der "dänische Strauß" – "Champagner-Galopp". Dieser kam sehr leicht, aber niemals leichtfertig daher. Zu dessen Finale ließ Mehta einigen Musikern ein Glas Champagner kredenzen und stieß mit ihnen auf das neue Jahr an. Dass der Walzer "Wein, Weib und Gesang" (Strauß Sohn) sich da perfekt einfügte, versteht sich von selbst.

Nicht selbstverständlich, dafür wunderschön Mehtas Geste während der "Annen-Polka" von Strauß Sohn. Sie war – zum letzten Mal zeichnete Ex-Philharmoniker-Vorstand Clemens Hellsberg für die kluge Programmierung verantwortlich – Mehtas Gattin gewidmet. Hier wandte sich der Maestro während des Dirigierens zu den Besuchern und verneigte sich in Demut vor seiner Frau.

Auf die Polka "Mit Chic" (Eduard Strauß) folgten der Konfettiregen, der "Donauwalzer" und der "Radetzkymarsch", ehe Mehta und die Musiker in berechtigtem Jubel baden durften.

KURIER-Wertung:

Am 14. Jänner feiert er seinen 72. Geburtstag; und am 1. Jänner 2016 dirigiert der lettische Stardirigent Mariss Jansons das Neujahrskonzert 2016. Es wird dann Jansons’ drittes Neujahrskonzert sein.

Bereits 2006 und 2012 sorgte Jansons am Pult der Wiener Philharmoniker zu Jahresbeginn für Furore; nun kommt der international gefragte Maestro wieder. Eine logische Entscheidung. Denn Jansons ist ein Liebling der Philharmoniker und ein Liebling des Wiener Publikums.

Der neue Philharmoniker-Vorstand Andreas Großbauer zeigte sich von der Einladung an Jansons persönlich berührt: "Mein allererstes Neujahrskonzert habe ich 2006 unter Mariss Jansons gespielt. Es war für mich ein außerordentlich bewegendes Konzert, und nun blicke ich mit großer Freude auf die kommenden Monate unserer gemeinsamen Vorbereitungen." Getroffen wurde die Entscheidung für Jansons noch von der früheren Führung der Philharmoniker, die erst im September aus dem Amt geschieden war.

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Neben den obligatorischen Kompositionen der Strauß-Familie wurden heuer auch Werke von Franz von Suppé und des in Österreich weniger bekannten Dänen Hans Christian Lumbye (1810-1874), dem "Strauß des Nordens", aufgeführt:

Komponist

Stück

Verzeichnis

Franz von Suppé

Ein Morgen, ein Mittag, ein Abend in Wien (Ouvertüre)

Johann Strauß Sohn

Märchen aus dem Orient (Walzer)

op. 444

Josef Strauß

Wiener Leben. (Polka francaise)

op. 218

Eduard Strauß

Wo man lacht und lebt (Polka schnell)

op. 108

Josef Strauß

Dorfschwalben aus Österreich (Walzer)

op. 164

Johann Strauß Sohn

Vom Donaustrande (Polka schnell)

op. 356

Johann Strauß Sohn

Perpetuum mobile

op. 257

Johann Strauß Sohn

Accelerationen (Walzer)

op. 234

Johann Strauß Sohn

Elektro-magnetische Polka

op. 110

Eduard Strauß)

Mit Dampf (Polka schnell)

op. 70

Johann Strauß Sohn

An der Elbe (Walzer)

op. 477

Hans Christian Lumbye

Champagner-Galopp

op. 14

Johann Strauß Sohn

Studenten-Polka

op. 263

Johann Strauß Vater

Freiheits-Marsch

op. 226

Johann Strauß Sohn

Annen-Polka

op. 117

Johann Strauß Sohn

Wein, Weib und Gesang (Walzer)

op. 333

Eduard Strauß

Mit Chic (Polka schnell)

op. 221

Danach als Zugabe die "Explosions-Polka" von Johann Strauß Sohn (op. 43), traditionell gefolgt von Johann Strauß Jun. "An der schönen blauen Donau" und dem "Radetzky-Marsch" von Johann Strauß Vater.