Kultur

Neues Album von The Cure: Der Letzte macht das Grablicht aus

Die Stimmung war schon einmal besser: Krisen und Kriege, Teuerung und Rezension. Vieles geht gefühlt den Bach runter. Und wir wissen: Geht’s der Wirtschaft schlecht, geht’s uns allen schlecht. Oder so. Die Tage werden kürzer und zu dieser Zeit des Jahres begegnet man dem Tod häufiger als sonst: Entweder steht er geschminkt und lärmend vor der Haustür und will etwas – nämlich Süßes, sonst gibt’s Saures. Andererseits ist er aufgrund der bevorstehenden Gedenktage inklusive Besuch am Grab allgegenwärtig. Die Botschaft dabei lautet: Wir werden sterben. Das gilt übrigens auch für Elon „Nervensäge“ Musk. So viel ist sicher. Dagegen hilft auch kein Flug ins Weltall, keine Fahrt mit dem neuen Tesla, kein Post auf X oder eine Raumstation am Mars. 

Verloren, allein

Zurück zur Erde: Den passenden Soundtrack zu den bevorstehenden Friedhofsbesuchen liefern The Cure. Wieder einmal, muss man hinzufügen. Denn die Band um Sänger und Obergrufti Robert Smith, der auch das letzte verbliebene Gründungsmitglied der 1976 in Crawley (Südengland) gegründeten Formation ist, kennt sich mit Verlust und Vergänglichkeit bestens aus. Sie sind Meister darin, Melancholie und Hoffnungslosigkeit in wirkungsstarke Melodien zu verpacken. Deshalb ist es auch keineswegs verwunderlich, sondern einfach nur konsequent, dass The Cure ihr neues Album pünktlich zur „Dreifaltigkeit des Todes“ (Halloween/Allerheiligen/Allerseelen) veröffentlichen.

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Den Anfang macht „Alone“, ein Stück, dass The Cure bereits längere Zeit bei ihren Konzerten auf der Setlist haben. Getragen wird der Song von in Hall getauchten Keyboard-Sounds, die wie Nebelschwaden durch das Arrangement ziehen. Das Schlagzeug versucht, sich in der Dunkelheit zu orientieren, während die Gitarren im Hintergrund längst resigniert haben. Doch nach dreieinhalb Minuten dreht Robert Smith mit seiner immer noch sehr jugendlich klingenden Stimme das Licht auf. Es wird hell, oder besser gesagt: ein bisschen weniger finster. Es sei das Gefühl der Einsamkeit bei einem seiner nächtlichen Spaziergänge gewesen, das Smith zu diesem Lied veranlasst hat, wie er sagt: „Wenn die Morgendämmerung anbricht, gibt es immer einen Moment, in dem ich mich verloren, allein, sehr nah am Ende fühle. Dieses Gefühl versuche ich in ,Alone’ einzufangen.“ Wenn nach sieben Minuten die Synthesizer langsam ausfaden, dahinschmelzen, kann man emotional durchaus mitgenommen sagen: Mission gelungen.

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Mit „And Nothing Is Forever“ geht es ähnlich düster und episch weiter. Soll heißen: Es braucht ein bisschen, bis der Song in die Spur findet, Fahrt aufnimmt und Struktur annimmt. Davor hat man es bis zur Hälfte des erneut fast sieben Mituntern dauernden Liedes mit instrumentalen Passagen zu tun. Dafür fährt Robert Smith ein halbes Orchester langsam hoch. Er selbst steigt erst wieder ab der Hälfte des Songs ins Geschehen ein - und singt über die Angst, allein zu sterben. Wer nach diesen ersten beiden Songs, in dem einen rund 14 Minuten Schwermut entgegen hallt, etwas Aufmunterung braucht, zur Abwechslung Lust auf Heiterkeit verspürt, sollte jetzt weder die Nachrichten aufdrehen noch den nächsten Song auf dem neuen The Cure-Album hören. Denn in „A Fragile Thing“ werden gebrochene Herzen und falsche Entscheidungen besungen.

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Ende

Diese in den ersten beiden Songs angewendete Schablone wird auch – mal mehr, mal weniger – bei den restlichen Nummern angewendet. Es sind Arrangements, die sich jeglicher Vermarktung auf Selbstdarstellungsplattformen wie TikTok entziehen. Denn  die Songs sind behäbig, beginnen mit einem sich über Minuten ziehenden Intro, das mit am Klavier, an der Gitarre oder mit elektronischen Klangerzeugern gereichten Melodien die Atmosphäre bestimmt:  Weltuntergangsstimmung nach Art des Hauses. Ein  Rezept, das seit „Pornography“ (1980), dem ersten erwähnenswerten Album der Band, immer wieder neu und ein bisschen anders gekocht wird. Die Zeiten, in denen dabei Hits wie „Friday I’m In Love“, „Boys Don’t Cry“ oder In Between Days“, Popsongs, die auch in der Indie-Disco funktionieren, abgefallen sind, sind längst vorbei. Das ändert sich auch auf „Songs Of A Lost World“ nicht, das mit dem elf Minuten dauernden „Endsong“ geschlossen wird. Zu dem hauptsächlich auf den Toms bearbeiteten Schlagzeug verlieren sich die Gitarren in der Ferne und macht Robert Smith die Grabkerzen aus. Die Morgendämmerung bricht an, ein neuer Tag beginnt. Vielleicht wird ja heute alles besser. Vielleicht fühlt man sich weniger allein. Vielleicht ist die Welt ein kleines Stück weniger verloren.