Neuer Musikvereins-Chef will Tradition "um das eine oder andere Neue ergänzen“
Auch so kann eine Staffelübergabe ablaufen. Ohne jeden Konflikt, stattdessen mit vielen lobenden Worten von beiden Seiten. Stephan Pauly, der designierte Intendant der Gesellschaft der Musikfreunde und Nachfolger von Langzeitchef Thomas Angyan, präsentierte sich am Montag erstmals den Medien; Angyan selbst sprach die einführenden Worte.„Ich übergebe ein in künstlerischen und finanziellen Belangen einwandfreies Haus“, betonte der mit 30. Juni 2020 nach 32 Jahren an der Spitze des Musikvereins abtretende Angyan. Er freue sich über seinen Nachfolger und werde „für einen sehr harmonischen Übergang sorgen“ so Angyan.
Der 47-jährige Pauly wiederum erklärte, dass er „die Tradition des Hauses“ selbstverständlich bewahren, sie aber „um das eine oder andere Neue“ ergänzen wolle.
Die Bewahrung der Tradition war wohl offenbar auch eine Vorgabe seitens der entscheidenden Gremien. Denn, wie Johannes Stockert, der Präsident der Gesellschaft der Musikfreunde, betonte: „Stephan Pauly hat in jenen Musikinstitutionen, denen er bisher vorstand, das realisiert, was wir uns auch für den Musikverein wünschen: Die Tradition und die Unverwechselbarkeit des Hauses zu erhalten und gleichzeitig Neues zuzulassen.“
Herausforderungen
Dies habe Pauly auch bei seiner Tätigkeit am Salzburger Mozarteum (2002 – 2012) eindrucksvoll bewiesen. Stockert: „Stephan Pauly wird sich aber auch den vielfältigen Herausforderungen des 21. Jahrhunderts stellen.“
Dies kann der designierte Intendant auch aufgrund des Entgegenkommens der Oper Frankfurt, deren künstlerischer und kaufmännischer Leiter er seit 2012 ist, wo er einen gültigen Vertrag bis 2022 besaß. Pauly: „Ich danke den Verantwortlichen in Frankfurt, dass sie meinen Wechsel nach Wien möglich gemacht haben.“ Soll heißen: Pauly wurde per 30. Juni 2020 vorzeitig aus seinen Frankfurter Verpflichtungen entlassen. Ab 1. Juli wird er dann für vorerst fünf Jahre im Musikverein am Ruder sein.
Blick von innen
Dies sei eine „große Ehre“. Er gehe an diese Aufgabe mit „großer Freude und großer Hochachtung“ heran. Der Musikverein sei „eine der ungewöhnlichsten und wichtigsten Konzertinstitutionen der Welt“, mit der er sich ausgiebig beschäftigt habe. Nun aber komme der „Blick von innen“, beginne die „tatsächliche Vorbereitungszeit“. Dass die Saison 2020/’21 in groben Zügen noch von Angyan geplant wurde, sei aufgrund der langen Vorplanungen üblich. „Meine erste eigene Spielzeit wird 2021/’22.“
In den nächsten Monaten wolle Pauly mit allen das Gespräch suchen. Dies gelte für die Mitarbeiter des Hauses ebenso wie für Partner und die großen heimischen Orchester. Pauly: „Projekte entstehen nicht am Schreibtisch sondern im Dialog.“ Er habe auch kein Schema im Kopf, sondern wolle den Musikverein „individuell verstehen“, so der Kulturmanager.
Gute Gesprächsbasis
Mit Angyan ist Pauly in regem Kontakt. „Wir haben allein am vergangenen Freitag sechs Stunden miteinander gesprochen. Das hat sehr viel Freude gemacht.“ Dass die Vier Neuen Säle bereits 2020/’21 inhaltlich „ein weißes Blatt“ sind, ist Pauly bewusst. Der Musikverein sei jedenfalls definitiv vor allem auf die Klassik konzentriert, da bleibe für andere Musikgenres nur wenig Raum.
Doch will Pauly versuchen, den 32-Jahre-Rekord seines Vorgängers einzustellen? „So ein Ziel kann man nicht haben – jetzt freue ich mich auf die fünf Jahre.“