Neuer Landkrimi aus Tirol: "Der Tote in der Schlucht"
Von Marco Weise
Der neue Landkrimi aus Tirol beginnt sportlich: Lisa Kuen steckt sich ihre kabellosen Kopfhörer ins Ohr, schnürt die Schuhe, schaut auf die Uhr und los geht’s. Rauf auf die Bergiselschanze – im Laufschritt, versteht sich. Diese sportliche Seite mag Patricia Aulitzky auch an ihrer Rolle, wie sie im KURIER-Gespräch sagt. „Sie ist einfach eine coole Frau. Ich mag ihre Sportlichkeit“.
Die Schauspielerin verkörpert in „Der Tote in der Schlucht“ (3. Dezember/20.15/ORF1) bereits zum zweiten Mal die Innsbrucker Kriminalkommissarin. An ihrer Seite ermittelt erneut Alex (Dominik Raneburger), der seine Kollegin einmal so charakterisiert hat: Sie sei komplett obsessiv, ein Workaholic und renne „mit dem Kopf durch die Wand“. Ein Tiroler Sturschädl eben. Für Aulitzky sei Lisa Kuen eine sperrige, knorrige Figur, die „keine einfache Lebensgeschichte hat. Sie ist taff, eher verschlossen und hat eine klare Vorstellung von dem, was sie will und was sie nicht will.“
Schützenverein
„Der Tote in der Schlucht“ taucht ein in die Welt der Schützen, Viehhändler und Marketenderinnen. Dabei wird das Ermittler-Duo mit einem bereits abgeschlossen Fall konfrontiert: Es geht um einen Überfall auf einen Geldtransport, bei dem einer der beiden Fahrer von den beiden Tätern erschossen wurde. Das damals erbeutete Geld konnte, obwohl einer der beiden Täter, der Colussi (Bernhard Schir), verhaftetet werden konnte, nie sicher gestellt werden. Auch von der zweiten Person, die am Überfall beteiligt war, fehlt jede Spur. Nun ist der Colussi nach einigen Jahren im Gefängnis wieder auf freiem Fuß. Und kaum ist er in Freiheit, wird der damalige Informant Radl (Hans Danner) ermordet unter einer Brenner-Autobahnbrücke aufgefunden. Klar also, dass der Colussi als Hauptverdächtiger geführt wird. Unterstützung bekommt er von den Schützen, bei denen er natürlich langjähriges Mitglied ist.
„Ich war beeindruckt, welchen Stellenwert diese Vereine und Gruppierungen nach wie vor haben, und ich war auch überrascht, wie männlich konnotiert das Waffentragen und das Jagen nach wie vor sind“, sagt Mirjam Unger, die bereits zum zweiten Mal beim Tiroler Landkrimi Regie führte. Das Drehbuch stammt, wie schon bei „Das Mädchen aus dem Bergsee“ (2020), von Eva Testor, die auch wieder als Kamerafrau fungierte.
„Sie ist eine charismatische Autorin und Kamerafrau mit einem ganz eigenwilligen Blick. Sie schreibt und filmt nicht gefällig, sie kommt aus der Kunst und gewinnt gleichzeitig Publikumspreise, erreicht Mörderquoten. Es ist inspirierend mit ihr zu arbeiten, weil sie mich überrascht und herausfordert“, sagt Unger über ihre Freundin Eva Testor.
Wertekostüm
Zusammen liefern die beiden nun einen spannenden und unterhaltsamen Krimi ab, bei dem ein ambivalentes Tirol gezeigt wird. Auf der einen Seite begegnet man patriarchalen Strukturen, einem katholisch-konservativen Wertenkostüm. Auf der anderen Seite gibt es einen Ermittler, der sein Coming-out erlebt, eine Ermittlerin, die feministisch, unterkühlt, sehr körperlich, fast „männlich“ auftritt. Will man mit diesem Kontrast Reibung erzeugen? „Genau diese Reibungsflächen interessieren uns. Eva Testor ist ja gebürtige Tirolerin und genau in diesen Widersprüchen aufgewachsen. Jetzt bin ich zum dritten Mal von ihr eingeladen worden, bei ihren Büchern Regie zu führen, und ich verstehe immer besser, wovon sie erzählt: Von Tradition und Rebellion“, sagt Unger, die gerade bei eisigen Temperaturen ihren dritten Landkrimi dreht. „Wir drehen gerade in Innsbruck und im Wipptal. Es ist zwar wunderschön in den Bergen, an der Luft draußen, aber auch hart und herausfordernd. Für mich ist jeder Landkrimi wie eine Kulturreise. Ich lerne jedes Mal viel über Tirol dazu.“
Über den Landkrimi aus Tirol: Als ein Jahre zurückliegender Überfall auf einen Geldtransport durch einen Mord noch einmal unter die Lupe genommen wird, bekommt es das Ermittlerduo Lisa Kuen (Patricia Aulitzky) und Alexander Yüsüf-Demir (Dominik Raneburger) in „Der Tote in der Schlucht“ (20.15/ORF1) mit einer Schützenvereinigung und deren Grundsätzen zu tun. Es ist der insgesamt dritte Fall aus Tirol, der zweite, den die Regisseurin Mirjam Unger für die Landkrimireihe umgesetzt hat. Das Drehbuch stammt erneut von Eva Testor, die auch wieder als Kamerafrau im Einsatz war. Die Filmmusik haben, wie bereits in den ersten beiden Fällen, Patrick Pulsinger und Teresa Rotschopf komponiert
Mirjam Unger im Interview
KURIER: Sie drehen gerade Ihren dritten Tiroler Landkrimi. Was ist das Besondere an dieser Landkrimi-Ausgabe, am Team, an den Drehbüchern?
Der dritte Teil, den wir gerade in Innsbruck und im Wipptal am Brenner drehen, beschäftigt sich mit den Drogenrouten, die durch Tirol führen und wir widmen uns mafiösen Zirkeln. Unsere Ermittlerin Lisa, gespielt von Patricia Aulitzky, ist ab nun undercover unterwegs.
Man hat beim Zusehen das Gefühl, dass man es mit einer gespaltenen Welt zu tun hat: Auf der einen Seite die Tradition, die Kirche, das Reaktionäre. Auf der anderen Seite gibt es einen schwulen Ermittler und eine Ermittlerin, die sehr feministisch, sehr unterkühlt, sehr körperlich, sehr „männlich“ wirkt. Will man mit diesem Kontrast Reibungsfläche erzeugen?
Genau diese Reibungsflächen interessieren uns. Die Autorin und Kamerafrau Eva Testor ist Tirolerin und genau in diesen Widersprüchen aufgewachsen. Jetzt bin ich zum dritten Mal von ihr eingeladen worden bei ihren Büchern Regie zu führen und ich verstehe immer besser, wovon sie erzählt. Von Tradition und Rebellion.
Schützen hin, Schützen her: Jeder zweite Tiroler, so scheint es, hat eine Waffe zuhause. Man denkt dabei auch immer an Dornauer, der jetzt ja zur Seite getreten ist, wegen eines Jagdausflugs. Mussten Sie nicht auch sofort an den aktuellen Landkrimi aus Tirol denken?
Ja, sofort. Und ich mußte bei der Causa Dornauer tatsächlich an unsere Erfahrungen mit den Schützen denken. Ich war beeindruckt welchen Stellenwert diese Vereine und Gruppierungen nach wie vor haben und ich war auch überrascht, wie männlich konnotiert das Waffen tragen und das Jagen nach wie vor sind.
Was ist diese Lisa Kuen für eine Person?
Lisa Kuen ist eine coole, eigensinnige und wilde Ermittlerin. Sie hat einen großen Gerechtigkeitssinn. Lisa kann nicht anders als Wahrheit zu sprechen, das wird ihr manchmal zum Verhängnis. Sie ist sportlich und in der Lage, in eine Schlägerei verwickelt zu werden, wenn man ihr blöd kommt. Ihr Co-Ermittler und einziger Freund Alex hält immer zu ihr, egal wie widerborstig sie sich gibt, das ist rührend. Weil er weiß, dass sie im Grunde recht hat.
Sie arbeiten auch dieses Mal wieder mit Eva Testor zusammen. Was zeichnet ihre Arbeit hinter und vor der Kamera aus?
Eva Testor ist eine charismatische Autorin und Kamerafrau mit einem ganz eigenwilligen Blick. Sie schreibt und filmt nicht gefällig, sie kommt aus der Kunst und gewinnt gleichzeitig Publikumspreise, erreicht Mörderquoten. Es ist inspirierend mit ihr zu arbeiten, weil sie mich überrascht und herausfordert. Wir sind seit 30 Jahren befreundet, haben zusammen studiert und mittlerweile sieben Filme miteinander gemacht.
Wie hat sich durch die Arbeiten am Landkrimi ihr Blick auf Tirol verändert?
Für mich ist jeder Landkrimi wie eine Kulturreise. Ich profitiere von den Themen, lerne jedes Mal viel über Tirol dazu. Ich darf wirklich in Tirol eintauchen durch die Arbeit an den Filmen. Mein Verständnis von Menschen, Lebens- und Sichtweisen im Westen Österreichs ist gewachsen und es hilft mir Vieles besser zu verstehen. Ich habe hier neue Freunde und KollegInnen getroffen, die ich ungemein schätze.
Bestimmen Sie, wer die Musik zum Film macht?
Seit Teil 1 komponieren Teresa Rotschopf und Patrick Pulsinger die Musik zum Landkrimi Tirol und die beiden sind mit ihrem Eigensinn prädestiniert unsere Herangehensweise zu unterstützen. Wir alle nähern uns dem Ländlichen mit einem liebevollen und möglichst kunstvollen Blick. Ihre Musik machen den Landkrimi erst zu dem, was er ist.
Welche Optik, welcher Stil, welcher Flow ist Ihnen bei den Arbeiten an den Tiroler Landkrimis wichtig?
Wir versuchen Authentisches einzufangen, den touristischen Blick zu vermeiden. Zum Beispiel haben wir bei "Der Tote in der Schlucht" in einer Tiroler Viehversteigerungshalle gedreht und unsere Szenen gedreht, während tatsächlich Versteigerungen abgehalten wurden. Wir haben Fiktion also mit Dokumentarischem gemischt. Das ist in einem Fernsehformat wie diesem nicht unbedingt üblich und deswegen besonders spannend. Es braucht aber von allen Beteiligten ein hohes Maß an Aufmerksamkeit, Stressresistenz und Bereitschaft zum Abenteuer.
Wie laufen die aktuellen Dreharbeiten in Tirol? Und was drehen Sie als nächstes?
Wir hatten die letzten Tage viele Außenaufnahmen und es ist schon recht kalt geworden. Es ist zwar wunderschön in den Bergen, an der Luft draußen, aber auch hart und herausfordernd. Die Crew kommt gern zusammen und wir gehen gemeinsam an Grenzen. Dennoch sind wir froh, wenn wir in ein paar Tagen die letzten Drehtage dieses Jahres geschafft haben und uns ein wenig wärmen und ausruhen können. Aber nicht lang, denn als nächstes begebe ich mich in den Schneideraum, da wartet die zweite Staffel von "Tage, die es nicht gab". Die Serie habe ich im Sommer gedreht und will noch fertig geschnitten werden.