Kultur

Neuer Festwochen-Intendant: "Motor für den Ausnahmezustand"

Was im KURIER bereits skizziert war, ist eingetreten. Tomas Zierhofer-Kin (46) wird neuer Chef der Wiener Festwochen. Er folgt auf Markus Hinterhäuser, der nach 2016 die Festwochen in Richtung Salzburger Festspiele verlassen wird. Zierhofer-Kin erhält einen Fünf-Jahres-Vertrag ohne Option auf Verlängerung. Das gaben Wiens Kulturstadtrat Andreas-Mailath Pokorny und Festwochen-Präsident Rudolf Scholten Mittwoch bekannt.

16 Kandidaten

Man habe mit vielen Theatermachern Gespräche über die Ausrichtung des Festivals geführt, danach habe es im Rahmen einer Ausschreibung 16 Bewerber (darunter zwei Damen) gegeben. Eine Jury (bestehend aus Andrea Ecker, Viktoria Salcher, Bernhard Denscher und Scholten) habe sich letztlich für Zierhofer-Kin entschieden. Stadtrat Mailath-Pokorny zur Bestellung des neuen Chefs: Man wolle mit den Festwochen eine "Vorreiterrolle" erfüllen. Es gelte "für die Zukunft sicherzustellen, dass es neues Publikum für die Festwochen weit über das Stammpublikum hinaus gibt".

Zierhofer-Kin, der mit Markus Hinterhäuser in Salzburg das Festival "Zeitfluss", dann bei den Wiener Festwochen (wieder mit Hinterhäuser) die Programmschiene "Zeit-Zone" gestaltete, ist seit 2005 Chef des Donaufestivals in Krems, das er radikal in Richtung moderne und performative Kunst umkrempelte. Für Mailath-Pokorny ist Zierhofer-Kin ein "avantgardistischer Stachel".

Keine Bereichsleiter

Und welche Stiche plant der designierte Chef? Es wird in Zukunft keine Bereichsleiter für Musik-und/oder Sprechtheater mehr geben. Das Programm möchte er mit "einem Team von Menschen mit unterschiedlichen Hintergründen als dramaturgischen runden Tisch" entwerfen. Denn: "Spartentrennung ist nicht mehr zeitgemäß."

Inhaltlich will der gebürtige Salzburger einen "Spagat zwischen Internationalität und Verortung, zwischen Zentrum und Rändern" schaffen. Soll heißen: Die Festwochen wollen mehr in die "Randbezirke" hinausgehen; der "Dialog mit Menschen aus allen sozialen Schichten und auch in Hinblick auf Menschen mit Migrationshintergrund" ist eines der Ziele. Zierhofer-Kin: "Wir müssen lernen, aus unserem Käfig rauszukommen. Mir geht es darum, dass die Wiener Festwochen als Motor für den künstlerischen Ausnahmezustand fungieren."

Wie aber sieht die finanzielle Zukunft der Festwochen aus? Mit der Stadt gibt es einen Vertrag bis 2016; das Gesamtbudget beträgt derzeit 14,5 Millionen Euro pro Jahr. Davon gibt die Stadt 11 Millionen. Für die Zeit ab 2017 muss neu verhandelt werden. Mailath-Pokorny: "Eine Subventionserhöhung ist nicht ausgeschlossen. Aber auch nicht angesagt."

Der amtierende Festwochen-Intendant Markus Hinterhäuser streut seinem Nachfolger Rosen: "Ich freue mich sehr für Tomas, und ich freue mich sehr für die Wiener Festwochen". Zierhofer-Kin sei "eine kompetente, außerordentlich interessierte, offene Persönlichkeit", die "sehr gut zu einem urbanen Festival wie den Wiener Festwochen passt." Und Grünen-Kultursprecher Klaus Werner-Lobo spricht von einer "mutigen Entscheidung". Zierhofer-Kin habe sich "schon bisher immer abseits ausgetrampelter Pfade des Kulturbetriebs bewegt".

Tomas Zierhofer-Kin, Jahrgang 1968, gründete während seines Gesangsstudium am Salzburger Mozarteum mit Markus Hinterhäuser 1993 das Zeitlfluss-Festival als Teil der Salzburger Festspiele für alternative und unbekannte Kunstströmungen. 2001 und 2002 war der gebürtige Salzburger Berater der Münchener Kultursenatorin. 2002 trennte er sich vom Zeitfluss-Festival und wurde als Kurator der Wiener Festwochen engagiert, gleichzeitig eröffnete er ein italienisches Restaurant in Wien. Seit 2004 ist er künstlerischer Leiter des Donaufestivals in Krems. Und seit zehn Jahren gilt es mit seiner Mischung aus avanciertem Pop, modernen Theaterformen, Techno-Partys, Kunst, Performance und Diskurs als eines der spannendsten Festival des Landes.

Die Entscheidung, Tomas Zierhofer-Kin zum Intendanten der Wiener Festwochen (nach der Saison 2016) zu machen, ist mutig, weil dieser bestimmt mehr ändern wird, als man jetzt erahnen kann. Sie ist gleichzeitig seriös, weil der künftige Chef ein kluger Kopf ist, der bei diesem Festival schon gearbeitet hat, die Stadt gut kennt und vermutlich weiß, worauf er sich einlässt. Sie ist nachvollziehbar, wenn man dieses Festival als eines sieht, das experimentierfreudiger als andere agieren kann bzw. muss. Sie ist keinem quoten-orientierten Denken geschuldet, sondern Ausdruck eines Wunsches, die Festwochen über das Bühnengeschehen hinaus noch breiter in der Stadt zu positionieren.

Zierhofer-Kin wird wohl stark auf die Sprengung herkömmlicher Grenzen und das Performative setzen. Dass er mit dem amtierenden Intendanten Markus Hinterhäuser lange zusammengearbeitet hat, ist kein Nachteil.

Was man im Moment nicht abschätzen kann, ist, welchen Stellenwert (Musik-und Sprech-)Theater künftig haben wird. Die Festwochen waren und sind eine wichtige Leistungsschau des internationalen Bühnenschaffens. Und ein Ort, an dem Produktionen entstehen sollten, die weit über Österreich hinausstrahlen. In einer sonst nicht sonderlichen innovativen Theaterstadt scheint das im Moment unverzichtbar.

"Ich freue mich sehr für Tomas, und ich freue mich sehr für die Wiener Festwochen", so Intendant Markus Hinterhäuser über die "sehr gute, nicht ganz erwartbar gewesene Wahl" zur APA. Gemeinsam hatten sie von 1993 bis 2001 das "Zeitfluss"-Festival geleitet.

Zierhofer-Kin sei "eine kompetente, außerordentlich interessierte, offene Persönlichkeit", die "sehr gut zu einem urbanen Festival wie den Wiener Festwochen passt", so Hinterhäuser, der nach den Festwochen 2016 zu den Salzburger Festspielen wechselt. Bereits 2002 bis 2004 hatte er mit Zierhofer-Kin die gemeinsame Arbeit im Rahmen der Wiener Festwochen fortgesetzt. Während Hinterhäuser später wiederholt zu den Salzburger Festspielen zurückkehrte, übernahm Zierhofer-Kin 2005 die Leitung des donaufestivals in Krems. "Wir haben zehn Jahre in Salzburg außerordentlich intensiv zusammengearbeitet, unsere Wege haben sich seither in andere Richtungen entwickelt", so Hinterhäuser. "Das ist auch völlig in Ordnung."

In Salzburg und Krems habe sich Zierhofer-Kin laut Grünen-Kultursprecher Klaus Werner-Lobo jedenfalls als "ein ausgezeichneter Kenner und vor allem Entdecker hervorragender zeitgemäßer internationaler und heimischer Künstler und Künstlerinnen" hervorgetan. Dementsprechend erfreut ist Werner-Lobo über die "mutige Entscheidung", Zierhofer-Kin als neuen Intendanten der Festwochen einzusetzen, wie es in einer Aussendung heißt.

"Er hat schon bisher wahre Schätze gehoben und in Österreich bekannt gemacht und sich immer abseits ausgetrampelter Pfade des Kulturbetriebs bewegt", so Lobo, der sich von der Neubestellung auch eine "grundlegende strukturelle und künstlerische Neuorientierung" der Festwochen erwartet. "Die Festwochen sollen wieder in die Stadt hineinwirken, aufregen, im öffentlichen Raum sichtbar werden, die lebendige Kulturszene dieser Stadt aktiv einbinden, Orte und Milieus der sozialen und geographischen Peripherie - etwa in den Außenbezirken und unter der Zuwanderungsbevölkerung - neu entdecken und beleben und so für alle Wienerinnen und Wiener unabhängig von Herkunft und sozialem Status sicht-, spür- und angreifbar werden."

- 1951 bis 1958 lag die Programmgestaltung beim Veranstaltungsreferat des Kulturamtes der Stadt Wien und damit bei Oberamtsrat Adolf Ario.

- 1958 war Rudolf Gamsjäger als künstlerischer Leiter verantwortlich.

- 1960 bis 1964 leitete Egon Hilbert die Festwochen erstmals unter dem Titel Intendant.

- 1965 bis 1977 war Ulrich Baumgartner Intendant der Festwochen.

- 1978 bis zu seinem Tod 1979 war Gerhard Freund Intendant.

- 1980 bis 1984 wurden die Festwochen durch ein vielköpfiges Programmdirektorium geführt (u.a. mit Helmut Zilk, Jörg Mauthe, Hans Landesmann und Sir Rudolf Bing).

- 1984 bis 1987 war Ursula Pasterk Festwochenintendantin.

- 1987 bis 1991 lag die Funktion der Intendanz interimistisch (und ohne Bezüge) bei Kulturstadträtin Ursula Pasterk.

- 1991 bis 1996 war der spätere Burgtheaterdirektor Klaus Bachler Intendant.

- Seit 1997 lag die künstlerische Verantwortung bei einem Dreierdirektorium mit Luc Bondy (Theater), Klaus-Peter Kehr (Musiktheater) und Hortensia Völckers (Tanz und Sonderprojekte).

- 2002 übernahm Luc Bondy die alleinige künstlerische Verantwortung, sein Vertrag wurde dreimal verlängert. Für das Schauspiel war ab 2001 Marie Zimmermann verantwortlich, ihr folgte 2008 Stefanie Carp, die bereits 2005 für ein Karenz-Jahr Zimmermanns das Schauspiel programmiert hatte. 2002 bis 2004 war Hans Landesmann für das Musikprogramm verantwortlich, 2005 übernahm Stephane Lissner die Funktion des Musikdirektors.

- Seit 2014 steht Markus Hinterhäuser als Intendant an der Spitze der Wiener Festwochen. Seine ursprünglich designierte stellvertretende Intendantin und Chefkuratorin Shermin Langhoff legte ihre Funktion im Sommer 2012 - ein Jahr nach der Bekanntgabe - zurück, an ihre Stelle trat die Belgierin Frie Leysen als Schauspieldirektorin. Sie absolvierte lediglich die erste Ausgabe und gab ihren Rückzug bereits vor Beginn der ersten Saison Hinterhäusers bekannt. 2015 und 2016 gibt es mit Stefan Schmidtke im ersten Jahr und Marina Davydova im Folgejahr zwei "Programmkuratoren".