Kultur

Von der großen Opernbühne zum Chanson

Vor 20 Jahren wurde sie über Nacht zum Superstar: An der Wiener Staatsoper gab Natalie Dessay damals ihr umjubeltes Debüt als Koloraturen trällernde Olympia in Offenbachs „Hoffmanns Erzählungen“. Eine beispiellose Weltkarriere war die Folge. Doch seit einiger Zeit macht sich die französische Sopranistin rar, singt nur noch wenige Opernpartien.

Denn: „Ich habe mich jahrelang dem Betrieb untergeordnet, das will ich nicht mehr“, so die Künstlerin im KURIER-Gespräch. Statt der Oper hat Natalie Dessay eine neue Liebe entdeckt – die Lieder und Chansons des dreifachen Oscar-Preisträgers Michel Legrand. „Entre elle et lui“ (auch auf CD erhältlich) nennt Dessay diese Hommage an Legrand, mit der sie am 1. Dezember auch im Wiener Konzerthaus Station macht. „Mit Michel auf der Bühne zu stehen und diese wundervollen Chansons interpretieren zu dürfen, das ist ein echtes Geschenk.“

Chanson im Blut

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Dessay weiter: „Als echte Französin habe ich Chansons schon immer geliebt, das liegt mir quasi im Blut. In den Chansons muss man in drei, vier Minuten eine komplette Gefühlswelt ausdrücken, eine authentische Stimmung transportieren. Das ist fast schwieriger, als minutenlang irgendwelche hochtrabenden Wahnsinnsarien zu singen. Und man ist viel freier in der Gestaltung, kann viel mehr von sich selbst zeigen.“

Mit der Welt der Oper hat Dessay „noch nicht ganz abgeschlossen“, ihre Rollen jedoch sucht sie sich bewusster aus. „Das Umfeld muss stimmen, die Regie, die Kollegen und die Produktionsbedingungen. Ich will keine Sklavin dieses Betriebs mehr sein. Diese Freiheit nehme ich mir. Und ganz ehrlich: Mir geht die Oper und dieses gesamte Klassik-Umfeld nicht wirklich ab. Im Gegenteil.“

Theater spielen, das will Dessay in Zukunft. „Komödie und Tragödie, am liebsten beides. Thomas Bernhard etwa. Oder warum nicht auch eine Farce von Georges Feydeau? Tür auf, Tür zu – das wäre genau das Richtige für mich“, sagt Dessay lachend.

Nachsatz: „Und als Ausgleich gehe ich reiten, mache Yoga oder verbringe die Zeit mit meiner Familie. Das macht den Kopf wieder frei.“

Sein Name ist in Österreich vielleicht nicht jedem geläufig. Wer aber Michel Legrands Musik hört, summt unweigerlich mit. Die Soundtracks, die der 1932 in Paris geborene Musiker für Hollywood komponierte, sind legendär.

Zwölf Mal wurde er für den Oscar nominiert, der ihm 1968 für „Windmills of your Mind“, den Filmsong zu „Thomas Crown ist nicht zu fassen“, und die Soundtracks zu den Filmen Sommer „42“ (1971) und „Yentl“ (1983) auch verliehen wurde.

KURIER: Monsieur Legrand, wie wählt man unter so vielen Klassikern Songs für eine CD aus? Haben Sie Lieblinge?

Michel Legrand: Nein, ich mag sie alle. Meine Lieder sind wie meine Kinder.

Was trägt Natalie Dessay zu Ihren Liedern bei?
Durch ihre Interpretation entsteht etwas Neues. Das ist eine Entdeckung für mich.

Dessay hat Ihre Musik über den Film „Eselshaut“ entdeckt. Gibt es einen Film, der auch Ihnen besonders am Herzen liegt?
Nein, ich bin stolz auf alles, was ich geschrieben habe.

Gibt es einen Film, für den Sie gerne Musik komponiert hätten, aber nicht konnten?
Nein, ich habe so viel gemacht, ich kann mich wirklich nicht beschweren.

Gibt es zukünftige Projekte?
Ja, etliche.

Ruhestand ist also kein Thema?
Was?! Wie können Sie es wagen, dieses Wort auszusprechen! Vergessen Sie dieses Wort!