Kultur

Nadja Bernhard und Hans Bürger: "Wir steigen nicht in den Ring"

KURIER: Warum moderieren Sie die „ Sommergespräche“ heuer zu zweit?

Nadja Bernhard: Warum nicht (lacht)? Da war einfach der Gedanke: Wie kann man bei den „Sommergesprächen“ etwas Neues machen? Wir sind jetzt nicht in der Stadt, sondern am Land, und eben zu zweit.

Wie werden Sie sich die Fragen aufteilen?

Bernhard: Natürlich werden wir einen Leitfaden haben, aber der ist sehr lose. Und dadurch, dass ein „Sommergespräch“ 50 Minuten dauert, bietet es sich ja wirklich an, die Leine lose und das Gespräch offen zu lassen. Man muss da nicht unbedingt auf eine Frage insistieren und sagen „Das haben Sie mir jetzt aber nicht beantwortet“, sondern kann mit den Politikernwirklich in ein tief gehendes Gespräch finden.

Was ist ein gutes Interview?

Bernhard: Wenn man etwas Neues erfährt.

Hans Bürger: Genau, wenn man nach diesen 50 Minuten ein bisschen mehr weiß über diese Person als vorher. Die Politiker sagen eh fast immer das Gleiche, das heißt, es wird an uns liegen, einmal andere Fragen zu stellen.

Wann haben Sie denn das letzte Mal etwas Neues erfahren von einem Politiker oder waren überrascht?

Bernhard: Also überrascht bin ich schon immer wieder.

Bürger: Wenn es gelingt, in bestimmte persönliche Bereiche hineinzugehen, wo der- oder diejenige überhaupt nicht mit der Frage rechnet, kann es schon sein, dass Dinge kommen, die neu sind. Das ist natürlich bei Spitzenpolitikern wie Kanzler und Vizekanzler schwieriger. Die wissen, wie sie wo auftreten müssen. Und live in einer Stunde investigativen Journalismus zu betreiben, wo wir jemanden mit Unterlagen konfrontieren, dass der schwerst geschockt vom Sessel fällt – ich glaube, das wird’s wahrscheinlich nicht werden (lacht).

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Herr Bürger, Sie haben die „Sommergespräche“ bereits 2015 moderiert. Einer der Gäste war Heinz-Christian Strache ( FPÖ), auf den Sie ja heuer wieder treffen. Was wird anders?

Bürger: Damals hatten wir das Pech, dass die Flüchtlingskrise kam und alles überdeckt hat, auch unser Fragenkonzept. Das Glück war, dass die Quoten so hoch waren wie selten zuvor und die Politiker sehr emotional geworden sind. Und ich kann mich noch gut an meine erste Frage an Strache erinnern: „Schämt sich der Mensch Strache manchmal für den Politiker Strache?“ In der Redaktion hat man mir von dieser Frage abgeraten. Aber ich finde, mit einer gewissen Freundlichkeit kann man auch solche Fragen stellen, die auf den ersten Blick unverschämt klingen, auf den zweiten, naja, kann man natürlich auch fragen: Schämt sich der Mensch Hans Bürger manchmal für den Interviewer Hans Bürger (lacht)?

Und tut er das?

Bürger: Nein, ehrlich gesagt nicht. Ich betrachte ein Interview nie als Kampf. Das habe ich noch nie gemacht. Für mich ist das keine Schlacht darum, wer gewinnt, sondern ich möchte so viel wie möglich erfahren – fürs Publikum und nicht unbedingt für mich.

Aber teilen Sie Ihre Interviews nicht ein in gelungen und misslungen?

Bernhard: Schon, natürlich. Auch Moderationen.

Bürger: Jetzt kommt die Frage: Welches ist Ihnen total misslungen? (lacht)

Genau!

Bürger: Ich kann Ihnen gerne sagen, was mir einmal misslungen ist: ein Interview mit der Landeshauptfrau Waltraud Klasnic in der „Pressestunde“. Sie hat es geschafft, jede Frage mit einem oder zwei Sätzen zu beantworten. Normalerweise bereitet man sich auf eine „Pressestunde“ mit 75 bis 80 Fragen vor, ein Drittel bringt man unter. Diesmal waren wir schon bei der letzten Frage, der achtzigsten – wie ihr Verhältnis zu Gott ist (lacht). Da habe ich mir gedacht: Auweh, die hätte man anders interviewen müssen. Es gibt Politiker, die lassen sich überhaupt nicht aus der Reserve locken.

Bernhard: Ich glaube, dass es auch von der Tagesverfassung abhängt. Es sind ja die Interviewer auch nicht immer gleich gut drauf. Wenn ich an den „Kulturmontag“ denke – mit Künstlern war es immer eine große Herausforderung, Interviews zu führen, weil die sich ja oft besonders ihrer Tagesverfassung hingeben. Bei David Schalko und Nicholas Ofczarek habe ich echt ein Trauma erlebt. Weil die absolut nicht geantwortet haben und mir eher das Gefühl gegeben haben, sie wollen nicht mit mir reden – diplomatisch ausgedrückt.

Das heißt, Sie waren auch schon bei Frage 80?

Bernhard: Nein, so weit bin ich gar nicht gekommen, weil die beiden hauptsächlich miteinander geredet haben. Und leider nicht über Kultur (lacht). Die wollten halt nicht. Und vielleicht wollte die Frau Klasnic an dem Tag auch nicht.

Bürger: Nein, sie war – und sie wird mir hoffentlich nicht böse sein, wenn ich das erzähle – extrem nervös, das hat sie mir auch davor gesagt. Sie wollte halt einfach keinen Fehler machen.

Was bekommen Sie von Politikern vor und nach den Interviews sonst mit außer ihrer Nervosität?

Bürger: Die meisten sind sehr locker, vorher und nachher, und schalten zack um, wenn das rote Licht angeht. Aber das mache eh ich auch (lacht).

Bernhard: Das ist ja der Professionalität geschuldet. Das rote Licht brennt und dann ist es natürlich eine andere Situation für beide. Aber ein gewisser Respekt und Höflichkeit gehören dazu. Wir steigen ja nicht in den Ring.

Bürger: Ich finde es viel überraschender, wie die Politiker miteinander umgehen. Für mich ist das faszinierend: Nach einem runden Tisch, wo sie sich, überspitzt formuliert, fast die Schädel einschlagen, sitzen sie dann bei uns im ORF im Atrium und haben manchmal sogar eine Gaudi miteinander. Nicht alle, aber fast alle – die wirklich auch zum Teil furchtbar gestritten haben vorher. Das ist halt Fernsehen. Das ist eine andere Welt.

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Die ORF-„Sommergespräche“ haben immer Topquoten – warum schauen sich die Leute gerade in den warmen Monaten so gerne politische Interviews an, wenn sie eigentlich am See oder im Gastgarten sitzen könnten?

Bernhard: Ich glaube, das hat viel mit Tradition zu tun. Der Mensch ist ein Gewohnheitstier. Die „Sommergespräche“ haben schon fast Eventcharakter.

Bürger: Es gibt in Österreich seit 20 Jahren vier unerklärliche Ereignisse: die totale Faszination darüber, wer heuer das Neujahrskonzert dirigiert, wen Herr Lugner zum Opernball einlädt, wer die Buhlschaft in Salzburg ist und wer die „Sommergespräche“ moderiert. Jetzt heißt es sicher wieder: Der Bürger ist wahnsinnig, der hebt sich auf die Bedeutung der Buhlschaft der Salzburger Festspiele (lacht). Aber es gibt ein paar Dinge, die in Österreich Tradition haben. Wenn man sie abschaffen würde, würden die Leute sagen: Schon schade irgendwie.

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Zur Sendung: 

ROMY-Gewinnerin und "ZiB"-Moderatorin Nadja Bernhard und "ZiB"-Innenpolitik- und EU-Ressortleiter Hans Bürger laden zum Polit-Talk in die Wachau, jeweils montags um 21.05 Uhr in ORF2.

Termine:

13. August: Peter Pilz (Liste Pilz)
20. August: Beate Meinl-Reisinger (Neos)
27. August: Heinz-Christian Strache (FPÖ)
3. September: Christian Kern (SPÖ)
10. September: Sebastian Kurz (ÖVP)

Mitmachen:

Über extra.orf.at können Zuseher Videoclips hochladen, die in der Sendung gezeigt werden.