Kultur

Nachruf auf Comicslegende Stan Lee: Seine Superhelden waren Menschen

Seine Helden waren anders. Sie waren keine platten Wunscherfüllungsvehikel oder Macho-Fantasien wie Superman. Die Kräfte der Helden von Stan Lee kamen aus Trauer, aus Wut, auch aus eigener Fehlbarkeit (durchaus auch in heiterem Sinne). Seine Figuren haben nicht nur fiese Gegner, sondern auch echte Probleme.

Seine Superhelden waren menschlich.

Spider-Man etwa, seine bekannteste Figur: Der junge Peter Parker hat in der realen Welt viel ausrichten können, Netze werfen und von Hochhaus zu Hochhaus schwingen. Im Inneren aber blieb Peter ein von inneren Konflikten durchzogener Held, der sich der guten Sache verschrieb – und in Beziehungsfragen alles andere als super war.

Stan Lee, geboren als Stanley Martin Lieber am 28. Dezember 1922 , war ein Mann der ersten Comics-Stunde – er begann 1939, in jenem Moment, als die Superhelden die amerikanischen Herzen eroberten. Zuerst bekam er 8 Dollar die Woche als Laufbursche.

Als er dann anfing, selbst Geschichten zu schreiben und Helden zu entwerfen, gab er sich mehrere falsche Namen: Er wollte den Eindruck erwecken, dass Marvel mehr Autoren hatte als das tatsächlich der Fall war.

Mehr als fantastisch

Als der große Konkurrent DC Comics die „Justice League“ schuf, antworteten Lee and Jack Kirby 1961 mit den Fantastic Four für das neu benannte Marvel Comics. In Folge schuf er (oft gemeinsam mit Partnern wie dem im Juli gestorbenen Steve Ditko) Ikonen der bunten Bildwelten, die rasch zum Millionengeschäft anwachsen sollten. Lee war (mit-)verantwortlich für unter anderem Black Panther, Spider-Man, die X-Men, Thor, Iron Man, die Fantastischen Vier, den unglaublichen Hulk, und auch Ant-Man.

Der kleine Mann, der über sich hinauswachsen muss; das Zornbinkerl, das nicht wütend werden darf: Lee, dessen Eltern aus Rumänien emigriert waren, brachte Vielschichtigkeit in die zweidimensionalen Comics-Kastln. Er half, die Comics zu jener Massenkultur zu machen, die sie ab den 1960ern wieder wurden, nachdem der Markt zuvor schwere Probleme gehabt hatte. Denn er sah darin mehr als Unterhaltung: Lee war Vorreiter darin, über Comics auch ernsthafte Themen zu verhandeln. Seine Helden hatten Neurosen, verhandelten soziale Anliegen, und hatten oft auch Humor.

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Der Erfolg hatte seinen Preis: Rechtsstreitigkeiten mit seinen Partner folgten. Sie – insbesondere Kirby – warfen ihm vor, sie über den Tisch gezogen zu haben. Lee, der sich oft mit Augenzwinkern auch seinem eigenen Status näherte, sagte, dass er selbst in finanziellen Fragen auch kein allzuglückliches Händchen hatte. Tantiemen bekam er, wie die anderen Marvel-Mitarbeiter auch, keine. Für Autogramme verlangte er 120 Dollar.

Doch Lee verdiente etwas anderes: Er wurde selbst eine Art Superheld, eine Comics-Legende, die das sogenannte „silberne“ Zeitalter der Popkulturform prägte.

Zuletzt war Lee von wunderlichen Geschichten umrankt, einer Milliardenklage gegen seine ehemalige Firma POW! Entertainment, von Medienberichten, wonach Menschen in seinem Umfeld seinen fragilen Zustand ausnützten.

Kinotriumph

Zugleich mussten die letzten Jahre von Lee Gewissheit gebracht haben: Dass sein Werk eines der wichtigsten der Popkultur des 20. Jahrhunderts bleiben würde. Superhelden beherrschten das Blockbusterkino der letzten Jahre, und gerade Marvels vielschichtige Helden stehen derzeit am Ende eines triumphalen Leinwandsiegeszuges.

Viele der lukrativsten Filme überhaupt drehen sich um Marvel-Helden (die zuletzt in den Besitz von Disney übergingen). Insgesamt nahmen Marvel-basierte Filme seit der Jahrtausendwende 24 Milliarden Dollar ein.

„Ich bin der glücklichste Kerl der Welt“, sagte Lee im April zur New York Times.

Sein Tod ist ein Tag der Trauer für viele Helden – und für noch viel mehr Fans.

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