Nach Protesten: Museum stoppte Verkauf von Warhol & Co
Von Michael Huber
Dürfen Museen Werke aus ihren Sammlungen verkaufen? Diese Frage sorgt regelmäßig für Kontroversen - insbesondere in den USA, wo die privat organisierten Institutionen, anders als etwa die Bundesmuseen in Österreich, nicht durch Gesetze zum Sammlungserhalt verpflichtet sind: Hier ist der mit dem Fachbegriff "Deaccessioning" bezeichnete Verkauf von Sammlungsgut mitunter erlaubt.
Dennoch hat die Entscheidung des Baltimore Museums, drei Gemälde der hoch etablierten Künstler Andy Warhol, Clyfford Still (Bild oben) und Brice Marden aus seiner Sammlung zu verkaufen, enorm viel Protest ausgelöst - so viel, dass die Werke kurz vor der für Mittwochabend (Ortszeit) geplanten Auktion bei Sotheby's New York zurückgezogen wurden.
Cancel Culture & Covid
Die Entscheidung wirft Licht auf zwei zentrale Debatten der Gegenwart: Einerseits geht es um die so genannte "Cancel Culture", also die Neuausrichtung des kulturellen Kanons durch den Austausch etablierter (weißer, männlicher) Positionen mit bislang marginalisierten Werken. Andererseits geht es um die Frage, welche Reaktionen auf die Finanznöte der Museen infolge der Covid-Pandemie möglich sind.
Das Baltimore Museum wollte mit den projektierten 65 Millionen US-Dollar, die der Verkauf der drei Gemälde hätte einspielen sollen, auf beiden Ebenen punkten: Einerseits wollte man mit dem Geld neue Werke von Kunstschaffenden aus der afroamerikanischen Community ankaufen. Bereits 2018 hatte der Direktor des Museums, Chris Bedford, einen solchen Ankauf aus Sammlungsverkäufen getätigt und sich damit nicht nur Freunde gemacht.
Nun aber trat ein wichtiger Förderer, der Investor Charles Newhall III, von seinem Posten im Aufsichtsrat des Museums zurück und zog auch gleich eine (offenbar nur mündlich) versprochene Zuwendung von 50 Millionen US-$ zurück, wie der Branchendienst Artnet berichtete. "Man verkauft keine Meisterwerke, um Diversität zu finanzieren", wird Newhall in dem Bericht zitiert. Er stieß sich offenbar auch daran, dass die afroamerikanische Künstlerin Amy Sherald - deren Werke im Zuge der Umorientierung angekauft worden waren - selbst Teil des Aufsichtsgremiums des Museums war. In der Folge trat auch Sherald - sie hatte u.a. das offizielle Porträt der Ex-First-Lady Michelle Obama gemalt - zurück.
Kunst und Lohn
Grundsätzlich ist aber die Entscheidung, Kunst zu verkaufen, um andere Kunst zu kaufen, von einschlägigen Museumsverbänden gedeckt. Das Baltimore Museum wollte Teile des Verkaufserlöses aber auch dazu verwenden, die gestiegenen Lohnkosten des Museumspersonals zu decken. Das steht in klarem Widerspruch zu anerkannten Richtlinien wie jener des internationalen Museumsverbandes ICOM, der klar festhält: "In keiner Weise sollten die Gelder für reguläre Museumsadministration oder die Instandhaltung verwendet werden." Ein anderer Berufsverband, die "Association of American Art Museum Directors", hatte zuletzt zwar einige Richtlinien gelockert, um Museen mehr Spielraum zur Bewältigung der Pandemie zu geben. Der Verbandsdirektor hielt zuletzt aber fest, dass die Gelder zur Bewältigung der Krise nicht aus dem Verkauf von Kunst stammen dürfen.
Das Museum zeigte sich in einer ersten Stellungnahme, die u.a. der New York Times vorliegt, enttäuscht. "Wir folgen nicht der Ansicht, dass Museen dazu existieren, um Objekten zu dienen. Wir glauben, dass die Objekte unserer Sammlung die vielen Individuen, denen wir dienen, widerspiegeln und diese einbinden sollen", heißt es darin (Übersetzung des Autors, Anm.). "Die Rufe nach Veränderungen im Museumswesen sind richtig und gerecht." Die Debatte darüber ist noch lange nicht zu Ende.