Medienwissenschaftler Hausjell über die Lust der Empörung
Von Ute Brühl
Die Menschen haben sich schon immer empört. Früher analog – am Stammtisch, heute digital über viele Kanäle im Internet – angefangen von Foren in den Online-Medien bis hin zu Facebook und Twitter. Derzeit regen sich viele darüber auf, dass der „Volks Rock’N ’Roller “ Andreas Gabalier den Karl Valentin Orden erhalten hat.
Die Dauererregung verwundert Fritz Hausjell wenig. Für den Medienwissenschafter der Uni Wien ist die Empörung ein menschliches Grundbedürfnis, das sich aus vielen Motiven speist. Eines davon ist Frust: „Die wenigsten Menschen ruhen dauerhaft in sich selbst. In manchen Phasen ist der eine oder andere mit seinem Leben besonders unzufrieden – und da ist es dann viel leichter, sich über andere aufzuregen, anstatt selbstkritisch zu hinterfragen, was man denn selber besser machen könnte.“ Das hat man nicht nur in den sozialen Medien und am Stammtisch erlebt: Indem man mit dem Finger auf andere zeigt, lenkt man von sich ab.
Aufmerksamkeit heischen
Manchmal ist es aber nur die bloße Eitelkeit, die Menschen veranlasst, sich über eine Aussage oder eine Ereignis aufzuregen. Hausjell verwendet hier den schönen Begriff der Aufmerksamkeitsbewirtschaftung. „Wenn Menschen merken, dass sie von anderen registriert werden, nur weil sie sich irgendwie drollig verhalten, spornt sie das an, das immer wieder zu tun.“ Ein Phänomen, das man auch aus der Politik kennt: „Ich geriere mich als Minderheit oder Feinbild und erzeuge so Aufmerksamkeit.“
Allerdings: Aus der Forschung wisse man, dass Menschen, die eine Lust an der Provokation und der Empörung haben, nicht immer schwierige Personen sein müssen: „Manchmal sind das ganz umgängliche Menschen.“ Denn nicht immer spielen Emotionen eine Rolle, wenn sich Menschen empören: „Bei einem Preis wie diesem ist es nachvollziehbar, wenn jemand die Entscheidung der Jury nicht nachvollziehen kann oder wenn sich frühere Preisträger darüber ärgern, wenn sie in einem Atemzug mit einem Ausgezeichneten genannt werden.“
Und – so stellt der Medienwissenschafler fest – Empörung ist nicht nur schlecht. Dass jemand leidenschaftlich diskutiert, heißt ja, dass er noch nicht in der Beliebigkeit angekommen ist, sondern noch für etwas brennt.